Ein anderes Bild der Frauen in den Fünfzigern, ein neuer Umgang mit Blumen: In Paris hat eine lange Prêt-à-porter-Woche angefangen. Seit Montag zeigen die Designer hier ihre Kollektionen für den kommenden Herbst. Designer Niall Sloan nimmt sich seit vergangenem Jahr des Problemfalls Escada an, und zumindest sein kreativer Vorschlag – unter starker Berücksichtigung des Erbes – gibt dieser Marke in unserer Zeit einen Sinn. Die unverschämte Extravaganz, den Protz der Achtziger, von dem auch Escada damals maßgeblich lebte, übersetzt er mit Schmuckapplikationen auf Textil. Allen voran die dicken Goldknöpfe sorgen hier für einen echten Margaretha-Ley-Moment, in Erinnerung an die legendäre Mitbegründerin dieser Marke. Ein reflektierter Umgang mit Blumenmotiven in der Mode ist natürlich unbedingt begrüßenswert. Blumen sind nicht nur hübsch und frühlingshaft, Blumenmuster können auch morbide sein, wie Miuccia Prada vergangene Woche in Mailand zeigte. Oder jetzt Dries Van Noten in Paris. Seine Welt ist die der Gegensätze, hier treffen Anzüge auf fließende Kleider, hier scheint eine einzige Rose an einem grauen Hemd zu stecken. Ist natürlich nur eine optische Täuschung, aber trotzdem ein schönes Symbol für diese Kollektion, die dank des anthrazitfarbenen Nadelstreifens so düster ist wie sie dank der vielen Blumen eben auch was Zugewandtes hat. Die Chloé-Frau unter Natacha Ramsey-Levi ist eine scharfe Beobachterin unserer Zeit. Sie sieht die Welt nicht durch die rosarote Brille, die Designerin setzt ihr stattdessen ein dickumrandetes Modell auf die Nase, reicht ihr Blockabsatz-Stiefel und kleidet sie in transsaisonaler Mode. Der Klimawandel wird ja nicht zuletzt die Garderobe prägen, und bei Chloé reagiert man schon jetzt, mit weiten Mänteln und Pullovern, deren Ärmel abzunehmen sind, mit geschlitzten Hosen und Rippstrickkragen, zu tragen wie Schals, mit Kapuzen. Wenn Paris eine Modenschau sein müsste, dann wäre es die von Anthony Vaccarello für Saint Laurent. In direkter Nachbarschaft zum abendlich glitzernden Eiffelturm funkeln seine Entwürfe für Damen und Herren wie Sterne am Nachthimmel, die Smoking-Blazer, Lederjacken und Kaschmirmäntel mit extra breiten Schultern, die weiteren Hosen und superkurzen Shorts. Man sieht breite Gürtelschnallen, Leopardenmuster und viel nackten Busen. Die Männer tragen dicke Pelzstolas über den Schultern, die Frauen Pelzmäntel. Auch weil man bei dieser Schau sicher sein kann, dass hier Echtpelz verarbeitet wurde, weil political correctness überhaupt an allen anderen Orten mehr zählt als in dieser Stadt, ist Saint Laurent in diesem Moment Paris. Die Bewegung der Teddy Boys ist gut bekannt, die Teddy Girls hingegen stehen nicht wirklich für die fünfziger Jahre. Nicht, wenn es um Mode geht. Und schon gar nicht für das Haus Dior, das die Fünfziger damals mit dem typisch weiblichen Bar-Look einläutete, mit einer Jacke mit Schößchen und einem weiten ausgestellten Rock. Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri nimmt sich diesen Teil der Jugendkultur jetzt vor, zumindest, wenn es um deren Style geht, die festen Blazer erinnern nur schwach an die Bar-Jacke, die Schuhe sind spitz und flach, die Röcke an den Säumen ausgefranst, und ein Karo zieht sich durch die Kollektion. So wie das Slogan-T-Shirt. Nach „Feminists“ und „Women Artists“ geht es hier jetzt um „Sisterhood“. Man will trotz aller kulturgeschichtlichen Aufarbeitung bei Dior mit der Kollektion auch Geld verdienen. Und noch eine Kollektion, deren Designer eine unverkennbare Handschrift hat. Alessandro Dell'Acquas Arbeit erkennt man auch als solche sofort, wenn er für Häuser arbeitet, die seinen Namen nicht kommunizieren. Für Rochas, hier ist er offiziell Chefdesigner, hat er seinen typischen markant-weiblichen Stil aber dieses Mal zurückgefahren. Stattdessen überwiegt das Liebliche. Den ausgestellten Röcken, Schößchen-Jacken und Volant-Kleidern setzt er wenig Hartes entgegen. Da fehlt was. Es gibt wohl kaum einen Designer, der sich Sportswear mit mehr mühevoller Handarbeit widmet als Christelle Kocher. Ihre neue Kollektion bekommt so gesehen die passende Bühne, die Accorhotels-Arena in Bercy. Trikots und Rugbyshirts verarbeitet die Modemacherin hier auch wieder, dazwischen ist viel Platz für Drama, für Federn und andere stoffliche Funken. Dass Sport ein emotionales Thema ist, sieht man auf den Leinwänden. Hier werden die Namen der Models samt Looknummer bei jedem Exit eingeblendet. 34 Margit Davy, 38 Lorelle Rayner, 39 Corinna Ingenleuf, 47 Kitty Cash. Zum Finale wechselt Christelle Kocher dann alle ein. Ist eben doch Mode.