Prozess wegen „Stealthing“ : Der Soldat hätte „kurz mal fühlen“ wollen
Ein Soldat aus dem hessischen Schwalm-Eder-Kreis muss sich seit Montag vor dem Amtsgericht Berlin wegen einer mutmaßlichen Vergewaltigung verantworten. Der 46 Jahre alte Mann soll sich am 12. Mai 2022 im Intercity-Hotel in der Nähe des Hauptbahnhofs in dem Zimmer mit der Nummer 100 mit einer Frau zum Sex getroffen haben.
Wie der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage sagte, äußerte der Angeklagte dann während des Geschlechtsverkehrs, dass er mit Kondom „nicht könne“ und das „scheiße“ finde. Er habe aber seiner Ehefrau versprochen, nur geschützten Verkehr zu haben.
Obwohl seine Sexualpartnerin klargestellt habe, dass ungeschützter Sex für sie nicht infrage komme, sei der Angeklagte daraufhin für wenige Sekunden ohne ein Kondom in sie eingedrungen. Der Angeklagte soll geäußert haben, er müsse „kurz mal fühlen“.
Stealthing kann als Vergewaltigung eingestuft werden
Wenn Männer beim Sex ohne das Wissen oder Einverständnis des Partners oder der Partnerin das Kondom abziehen, spricht man von „Stealthing“. Der Begriff geht auf das englische Wort „stealth“ zurück, das Heimlichkeit bedeutet. Seit knapp zehn Jahren wird über Stealthing als Phänomen, Trend und Straftat immer wieder diskutiert. Ende 2022 stellte der Bundesgerichtshof klar, dass einvernehmlich begonnener Geschlechtsverkehr durch Stealthing zum sexuellen Übergriff werde und als Vergewaltigung eingestuft werden könne.
In dem Berliner Fall ist der Soldat zudem wegen einer weiteren Straftat angeklagt. Er soll gegen den Willen der Frau sexuelle Handlungen an ihr gefilmt und live gestreamt haben. Der Staatsanwalt sagte, als der Soldat sich bei dem Livestream eines Internetanbieters angemeldet habe, habe die Frau nur mit einem BH bekleidet auf dem Bett gelegen und klargestellt, dass sie nicht abgebildet werden wolle. Der Angeklagte habe das ignoriert.
Er habe die Frau zu sich herangezogen und mit dem Handy gefilmt, wie er sie im Intimbereich berührt habe. Der Soldat habe dabei gewusst, dass etwa 1000 Personen Zugang zu den Aufnahmen hatten. Juristisch wäre das als „Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen“ zu werten. Das kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Die geschädigte Frau wurde am Montag unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Über ihre Person und die Beziehung der Beteiligten ist deshalb nichts bekannt. Der Angeklagte, der zum Prozessauftakt keine Angaben zum Tatgeschehen machte, ist nach eigener Auskunft verheiratet. Er hat vier Kinder, von denen die jüngeren beiden noch zu Hause leben.