„Seegfrörne“ vor 60 Jahren :
Als auf dem Bodensee ein Volksfest gefeiert werden konnte

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Vor 60 Jahren: Sogar Flugzeuge landen auf dem zugefrorenen See.
1963 verwandelte sich den Bodensee in ein großes Fest, samt Maronen und Würstchen-Verkauf: Das Gewässer war vollständig zu gefroren. Der Klimawandel macht eine Wiederholung unwahrscheinlich.
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Am 10. März war das Volksfest auf dem Bodensee vorbei. Die geschlossene Eisdecke war verschwunden. Die Schweizer mussten ihre Maronen und ihre Würste wieder am Ufer verkaufen. „Am 9. März sah man schon wieder Fahrrinnen der Schiffe auf dem See, am 16.  März war das Eis dann überall so ­brüchig, dass sich niemand mehr traute, es zu betreten“, erzählt Julius Pietruske, der damals 17 Jahre alt war.

Nach einer eher unzuverlässigen Zählung ist der Bodensee zwischen den Jahren 875 und 1963 genau 36 Mal zugefroren. Im Alemannischen heißt das Phänomen Seegfrörne. Ob der See tatsächlich immer an allen Stellen zugefroren war, ist nicht zuverlässig überliefert – wer hatte schon den Überblick, ob sich die Eisdecke über dem Obersee, Überlinger See, Untersee und Gnadensee geschlossen hatte? Im Jahr 1963 dokumentierten mehrere Luftbildfotografen das außergewöhnliche Naturereignis. Vor Nonnenhorn bei ­Lindau markierten sie auf dem Eis provisorische Start-und-Lande-Bahnen ein, der Sprungturm des Seebads wurde zum Tower umgerüstet.

Einer der Fotografen, der die See­gfrörne mit seiner Rolleiflex dokumentierte, war der Hochzeitsfotograf Franz Thorbecke. Er verdiente auch gut mit Rund­flügen und Postkarten. Sein Sohn Reinhard Thorbecke hat die besten Fotos mittlerweile digitalisiert. „Es war eine völlig außergewöhnliche Zeit, es kamen Sonderzüge, die Schule fiel aus. Metzger und Buchhändler verkauften auf dem Eis“, sagt Thorbecke. Jeder habe die 14 Kilometer von Nonnenhorn nach Rorschach auf der Schweizer Seite laufen wollen. Ob es eine vollständige Seegfrörne noch einmal geben wird, gilt wegen des Klimawandels als unwahrscheinlich. Voraussetzung hierfür ist Dauerfrost in den Wintermonaten, seit 1990 zählen die Forscher aber immer weniger kalte Winter.

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