Im vergangenen Jahr :
Zahl der assistierten Suizide in Deutschland ist 2024 angestiegen

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Ein Altenpfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Frau (Symbolbild).
Das gab die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben bekannt. Eine von ihr beauftragte repräsentative Studie zeigt zudem, dass die Deutschen einer Suizidassistenz mehrheitlich positiv gegenüberstehen.
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Die Anzahl der assistierten Suizide ist in Deutschland weiter angestiegen. Wie die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) am Dienstag in Berlin mitteilte, nahm sie im Jahr 2024 623 Freitodbegleitungen vor. Im Vorjahr waren es 418 gewesen. Hinzu kamen 354 assistierte Suizide durch die Organisationen Dignitas Deutschland (183) und Verein Sterbehilfe (171). In Summe sind das 977 Fälle.

Die Zahl der so verstorbenen Menschen dürfte sich auf mindestens 1020 belaufen, da es bei der DGHS zu 38 sogenannten Doppelbegleitungen kam, also dem gemeinsamen Suizid von Paaren. Der Verein Sterbehilfe meldete fünf solcher Doppelsuizide; Dignitas machte hierzu keine Angaben. Hinzu dürften weitere assistierte Suizide unter Mithilfe von Privatpersonen oder selbständig arbeitenden Ärztinnen und Ärzten kommen. Die DGHS geht daher schätzungsweise von einer Gesamtzahl von 1200 organisierten Freitodbegleitungen im Jahr 2024 aus.

Die DGHS, die sich nach eigenen Angaben nicht als Sterbehilfeorganisation, sondern als eine Patientenschutzorganisation versteht und rund 38.000 Mitglieder hat, präsentierte zudem die Ergebnisse einer von ihr in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage. Im Oktober 2024 hatte das private Meinungs- und Marktforschungsinstitut Forsa telefonisch 1203 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren zu verschiedenen Aspekten rund um das Thema Sterbehilfe befragt. In der Altersgruppe ab 70 Jahren beteiligten sich 203 Personen.

Die Mehrheit der Menschen steht der Suizidassistenz in Deutschland positiv gegenüber

Laut der Forsa-Umfrage stehen 84 Prozent der Befragten der Möglichkeit der Suizidassistenz in Deutschland positiv gegenüber. Gleichzeitig gingen aber auch 83 Prozent davon aus, dass Freitodbegleitung in Deutschland strafbar ist. Nur 15 Prozent der Befragten wussten, dass Suizidassistenz – sofern dieser ein freiverantwortlicher Entschluss des Sterbewilligen zugrunde liegt – seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 legal möglich ist.

Hilfe bei Suizidgedanken
Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können.
Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.
Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222.
Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis.
Ebenfalls von der Telefonseelsorge kommt das Angebot eines Hilfe-Chats. Den Chatraum kann man auch ohne vereinbarten Termin betreten. Sollte kein Berater frei sein, klappt es in jedem Fall mit einem gebuchten Termin.
Das dritte Angebot der Telefonseelsorge ist die Möglichkeit der E-Mail-Beratung. Auf der Seite der Telefonseelsorge melden Sie sich an und können Ihre Nachrichten schreiben und Antworten der Berater lesen. So taucht der E-Mail-Verkehr nicht in Ihren normalen Postfächern auf.

Die Richter entschieden damals, dass das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben die Freiheit auf ein selbstbestimmtes Lebensende beinhaltet, für das auf die Hilfe Dritter zurückgegriffen werden darf. Gesetzlich geregelt ist das bislang noch nicht. Im Juli 2023 scheiterten zwei Gesetzesentwürfe, da sich keine ausreichende Unterstützung für sie fand.

DGHS-Präsident Robert Roßbruch sagte dazu, Politiker und Ärzteverband würden immer wieder kolportieren, dass sich die Suizidassistenz in einer „rechtlichen Grauzone“ bewege. Das sei „effektiv falsch“. Die Hilfe zur Selbsttötung sei zwar nicht gesetzlich geregelt, das Bundesverfassungsgericht habe den Gesetzgeber aber auch nicht verpflichtet, ein Sterbehilfegesetz zu verabschieden.

Mehr seriöse Informationen zur Sterbehilfe gefordert

Mit Verweis auf diese Angabe sowie ein weiteres Umfrageergebnis, nach dem es 93 Prozent der Befragten wichtig oder sehr wichtig finden, leicht zugängliche und seriöse Informationen zur Suizidassistenz erhalten zu können, forderte Roßbruch niedrigschwellige Informationen, zum Beispiel durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Bei der Frage, ob psychisch kranke Menschen Suizidhilfe erhalten sollen, gingen die Meinungen auseinander. 37 Prozent sprachen sich eher dagegen aus, 15 Prozent lehnten das komplett ab. DGHS-Präsident Roßbruch sagte, aus dieser Bewertung leite er ab, dass sich weiterhin das Vorurteil in der Bevölkerung halte, psychisch Kranke seien per se nicht urteils- und entscheidungsfähig. Dies sei so jedoch nicht korrekt.

In der Umfrage wurden zudem Fragen zur Akzeptanz von aktiver Sterbehilfe gestellt, die in Deutschland nicht erlaubt ist und strafrechtlich verfolgt wird. Auf die Frage, ob es Ärzten erlaubt sein sollte, Menschen, die durch eine Krankheit oder einen Unfall ihre Bewegungsfähigkeit verloren haben, ein todbringendes Medikament zu verabreichen, also aktive Sterbehilfe zu leisten, antworteten 45 Prozent der Befragten, dass dies „auf jeden Fall“ erlaubt sein sollte, weitere 42 Prozent antworteten mit „ja, eher“. Bei Krankheiten, die eine freie Entscheidungsfindung und -artikulation verhindern wie beispielsweise Demenz, befürworteten 72 Prozent aktive Sterbehilfe, vorausgesetzt, der Suizidwunsch wurde noch vor dem Beginn der Erkrankung verbindlich schriftlich festgehalten.

62 Prozent der von der DGHS begleiteten Suizidenten im Jahr 2024 waren Frauen. Das Durchschnittsalter betrug 79 Jahre, die Altersspanne lag zwischen 24 und 98 Jahren, wobei der absolute Großteil der unterstützten Selbsttötungen durch Menschen über 70 Jahre begangen wurde. Die am häufigsten genannten Motive waren Multimorbidität (28 Prozent) sowie Lebenssattheit und das Vorliegen einer Krebserkrankung (beides rund 22 Prozent). Die DGHS verlangt für eine Freitodbegleitung 4000 Euro.

Eva Schläfer
Eva SchläferRedakteurin im Ressort „Leben“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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