Schweres Flugunglück :
CNN veröffentlicht Videos vom Zusammenstoß aus neuer Perspektive

Von Sofia Dreisbach, Washington
Lesezeit: 3 Min.
Tower des Ronald Reagan Washington National Airports: Die „New York Times“ berichtete, er sei zum Zeitpunkt des Unglücks ungewöhnlich knapp besetzt gewesen.
War der Tower in Washington unterbesetzt? Die Ermittlungen zum Hintergrund des Flugzeugabsturzes in Washington laufen. Nun kommen erste Details zu möglichen Gründen und den Opfern ans Licht.
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Auch am zweiten Tag nach dem schweren Flugunglück nahe dem Hauptstadtflug­hafen in Washington waren noch immer nicht alle 67 Todesopfer aus dem Fluss geborgen. Es mehrten sich am Donnerstagabend jedoch die Details zu möglichen Gründen für den Zu­sammenstoß eines Passagierflugzeugs, das in Wichita im Bundesstaat Kansas gestartet war, und eines Militärhubschraubers über dem eisigen Wasser des Potomac. Die „New York Times“ berichtete, der Tower des Ronald-Reagan- Flug­hafens sei zum Zeitpunkt des ­Unfalls ungewöhnlich knapp besetzt ­gewesen. Ein vor­läufiger Bericht der Luftfahrtbe­hörde habe ergeben, dass die Personaldichte „für die Tageszeit und das Verkehrsaufkommen nicht normal“ gewesen sei.

Demnach war am späteren Mittwochabend ein Lotse sowohl für die Kommunikation mit Hubschraubern in der Nähe des Flughafens als auch für den Start und die Landung von Flugzeugen zuständig. Dies sei zu Stoßzeiten eine Aufgabe für zwei Personen, schrieb die ­Zeitung unter Berufung auf eine Quelle. Ein Vorgesetzter habe einen Lotsen kurz vor dem Zusammenstoß jedoch früher als üblich aus dem Dienst ent­lassen und beide Aufgaben einer Person übertragen. Außerdem soll am Tag vor dem Zusammenstoß ein Flugzeug im Landeanflug wegen eines Hubschraubers gezwungen gewesen sein, noch einmal abzudrehen. Das berichteten amerikanische Medien übereinstimmend. Vor dem Unfall am Mittwochabend wich der auf einem Trainingsflug befindliche Hubschrauber offenbar von seiner vorgesehenen Flugroute ab.

Der Sender CNN veröffentlichte am frühen Freitagmorgen (Ortszeit) zwei Videos, die den Zusammenstoß aus neuen Perspektiven zeigen. Auf den Aufnahmen ist gut zu erkennen, wie der Hubschrauber und das Passagierflugzeug aufeinander zufliegen, kollidieren und in den Fluss stürzen.

Das für die Aufklärung von Un­glücken im Verkehrswesen zuständige „National Transportation Safety Board“ gab am Donnerstagabend bekannt, aus dem Flugzeug seien beide Flugschreiber geborgen worden. Von deren Auswertung erhoffen sich die Ermittler Erkenntnisse über die Unglücksursache. Bekannt ist bisher, dass der Pilot des Flugzeugs in letzter Minute eine neue Landebahn zugewiesen bekam. Der neue amerikanische Verkehrsminister Sean Duffy hatte eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls versprochen. Das Flugzeug war nach dem Zusammenstoß in mehrere Teile zerbrochen, der Hubschrauber laut Medienberichten kopfüber in den Fluss gestürzt.

Die Bergungsarbeiten, an denen gut 300 Einsatzkräfte von mehr als 20 Dienststellen beteiligt waren, ge­stalteten sich  weiterhin schwierig. Der Einsatzleiter John Donnelly von der Feuerwehr Washington sagte in einer Pressekonferenz, die Bedingungen seien eine „große Herausforderung“, doch man werde alle Opfer bergen. An vielen Trümmerstellen sei das Wasser nicht sehr tief, die Einsatzkräfte arbeiteten ­also „halb schwimmend, halb laufend“, was wegen des schlammigen Grunds „fordernd“ für Taucher sowie Rettungsschwimmer sei.

Laut Donnelly besteht außerdem die Gefahr, dass treibende Wrackteile die Schutzanzüge zerstören. Schon am Donnerstagmorgen hatten die Behörden mitgeteilt, man rechne nicht mehr mit Überlebenden. Bis zum späten Donnerstagabend wurden laut Medienberichten 50 Todesopfer aus dem Wasser geborgen.

Trump mit schweren Vorwürfen

Nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump in einer Presse­konferenz am Donnerstag einen unbelegten Zusammenhang zwischen Diversitätsprogrammen der vergangenen Regierungen in der Bundesluftfahrt­behörde und dem Unglück suggeriert hatte, äußerte sich die Gouverneurin von Kansas zurückhaltender in  dieser Frage. Man solle die Untersuchung denjenigen überlassen, „die gut geschult sind in diesen Dingen“, sagte die Demokratin Laura Kelly. Am Ende werde man „ganz genau“ herausfinden, welche ­Fehler gemacht wurden. Trump hatte unter anderem behauptet, Joe Bidens Verkehrsminister Pete Buttigieg habe seine Behörde „mit seiner Diversität in den Ruin getrieben“.

Bis Freitagmorgen gab es noch keine offizielle Liste der Todesopfer des Unglücks. Es wurden jedoch immer mehr Namen bekannt. Demnach befinden sich unter den Opfern laut amerikanischen Medien nicht nur russische Staatsbürger, sondern auch zwei Lateinamerikaner, Vater und Sohn, sowie zwei ­chinesische Staatsangehörige. Außerdem soll sich in dem Flugzeug aus ­Wichita eine Gruppe Freunde befunden haben, die von ihrem jährlichen Jagdausflug zurückkam, ebenso wie eine ­Beraterin aus Washington, eine Zivilrechtsanwältin sowie zwei Mitarbeiter einer Washingtoner Kanzlei.

Besondere Bestürzung herrscht im Eiskunstlaufsport. Im Flugzeug saßen viele Sportler, Trainer und Angehörige, weil in Wichita gerade ein Trainingslager und Meisterschaften im Eiskunstlauf zu Ende gegangen waren. Neben einem aus Russland stammenden Trainerehepaar waren unter den Opfern laut dem Eiskunstverein Club of Boston auch zwei 13 und 16 Jahre alte Nachwuchs­talente sowie deren Mütter.

Bei einem der Piloten des Passagierflugzeugs handelte es sich um einen 28 Jahre alten Mann, der im Herbst ­heiraten wollte. Sein Vater, der Hubschrauberpilot im Militär war, schrieb in einem Beitrag auf Facebook, es sei „niederschmetternd, jemanden zu verlieren, der so geliebt wird“.

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