Hotelbrand in der Türkei : Waren die Brandschutzmängel vorher bekannt?

Nach dem Hotelbrand im türkischen Bolu mit 76 Toten wächst die Kritik an den Aufsichtsbehörden. Dokumente werfen die Frage auf, ob bekannte Mängel nicht behoben wurden. Ein Experte für Arbeitssicherheit beklagt „Aufsichtslücken“.
Einen Tag nach dem verheerenden Hotelbrand im türkischen Bolu mit mindestens 76 Toten sind neue Details über mögliche Brandschutzmängel bekannt geworden. Die Nachrichtenagentur ANKA veröffentlichte am Mittwoch Dokumente, die belegen sollen, dass das Grand Kartal Hotel im Dezember 2024 eine Überprüfung durch die Feuerwehr angefordert habe, die demnach auch stattfand. Dabei seien Mängel bei den Fluchtwegen, der Notbeleuchtung, dem Lösch- und Feueralarmsystem sowie bei der Ventilation des Gebäudes festgestellt worden. Anschließend habe das Hotel jedoch beantragt, dass der Bericht verworfen werde. Dem wurde demnach stattgegeben.
Unterdessen wuchs die Kritik an den Aufsichtsbehörden. Die Katastrophe habe „einmal mehr den Mangel an Kontrollen in unserem Land zutage gefördert“, beklagte der Verband der türkischen Ingenieurs- und Architektenkammern. Laut geltenden Vorschriften sei eine jährliche Überprüfung der Brandschutzanlagen obligatorisch, schrieb der Verband in einer Mitteilung. Angesichts der hohen Opferzahl sei es „offensichtlich“, dass die Maßnahmen nicht ausreichend gewesen seien. So sei für ein Hotel mit mehr als 200 Betten eine automatische Sprinkleranlage vorgeschrieben. Auf Fotos, die auf der Website des Hotels zu finden seien, sei aber erkennbar, dass keine solche Anlage installiert worden sei.
Experte beklagt „Aufsichtslücke“
„Es gibt keine Gesetzeslücke, sondern eine Aufsichtslücke“, sagt auch Afşin Ahmet Kaya, Experte für Arbeitssicherheit von der 19.-Mai-Universität in Samsun. „Und falls es eine Inspektion gab, hat sie nur auf dem Papier stattgefunden? Das ist die Frage“, sagt Kaya im Gespräch mit der F.A.Z.
Der Brand habe außerdem gezeigt, dass es wichtig sei, in Touristengebieten während der Saison zusätzliche Ersthelferstellen einzurichten. Im Fall des Hotelbrandes vom Dienstag war die Feuerwehr aus der knapp 40 Kilometer entfernten Innenstadt von Bolu angerückt. Weiter sagt Kaya: „Was in der Türkei vor allem fehlt, ist eine Sicherheitskultur.“ Ohne sie reichten Gesetze und Strafen nicht aus, um Verhalten zu beeinflussen. Um ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, sei es nötig, die Bedeutung von Sicherheit schon im Schulunterricht zu vermitteln.
Das Hotel schrieb am Mittwoch auf Instagram: „Wir kooperieren mit den Behörden, um alle Aspekte dieses Vorfalls aufzuklären.“ Man teile von Herzen den Schmerz der Betroffenen. Der Besitzer des Hotels gehört laut Innenministerium zu den neun Personen, die im Zusammenhang mit dem Brand festgenommen wurden.
Innenminister Ali Yerlikaya hatte am Dienstagabend mitgeteilt, dass die Zahl der Toten auf 76 gestiegen sei. Bisher sei die Identität von 52 Todesopfern durch DNA-Abgleiche festgestellt worden. Präsident Recep Tayyip Erdoğan reiste in die Region, um an der Beisetzung von acht Mitgliedern einer Familie teilzunehmen, die bei dem Brand umgekommen waren. Begleitet wurde er von mehreren Ministern und dem Sprecher des Parlaments.