Schwedische Schifffahrt : Die schwimmende Wunderkammer
Sie knirscht und knarzt, rumpelt und rumort, ächzt und stöhnt, und manchmal scheint sie sogar zu seufzen, ganz so, als stecke ihr das Methusalem-Alter doch ein wenig in den Planken. Sie ist zerbeult und zerkratzt, hat Schrammen und Rostflecken, braucht viel Liebe und noch mehr Pflege, doch sie erfüllt seit 150 Jahren so klaglos wie tapfer ihre Pflicht: Seit 1874 befährt die MS Juno den 190 Kilometer langen Göta-Kanal zwischen Stockholm und Göteborg, überwindet dabei 184 Höhenmeter, passiert 58 Schleusen und erreicht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von neun Kilometern pro Stunde. Mit dem Fahrrad wären wir doppelt so schnell am Ziel, doch dann schlügen wir die schönste Gabe fahrlässig aus, die dieses knirschende, stöhnende, nicht umsonst nach der römischen Göttin der Fürsorge benannte Gefährt so großherzig mit seinen Gästen teilt: Die Juno, das älteste, noch im Dienst stehende Passagierschiff der Welt, schenkt uns während der viertägigen Fahrt von der größten zur zweitgrößten Stadt Schwedens eine unerschütterliche, tiefenentspannende, glücksspendende Gelassenheit – nichts weniger also als das höchste Gut in unserer Zeit der Raserei und Narretei.
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