Frankreich : Flucht vor den Fluten in den Papageienkäfig

Am 2. Juli startet die Tour de France auf der Atlantikinsel Noirmoutier über einen kuriosen Damm, der nur bei Ebbe befahrbar ist. Dann geht es um Sekunden. Sonst aber zählt man hier die Zeit in Stunden - wenn überhaupt.
Wir stehen eingeschüchtert vor einem überdimensionalen Warnschild, wie man es nicht alle Tage sieht. Darauf ist ein Auto abgebildet, das von Wellen verschluckt wird und auf den Meeresboden sinkt. Als ob das apokalyptische Bild nicht genug über die drohende Gefahr aussagen würde, wird in drei Sprachen gewarnt: „Risque de noyade / Risk of drowning / Bei Flut besteht Lebensgefahr.“ Unser Leben wollen wir nicht gefährden, und so haben wir vorsichtshalber die Tabelle der täglich wechselnden Gezeiten dabei. Die 4,2 Kilometer lange Passage du Gois, die bei Beauvoir-sur-Mer das Festland der Vendée mit der Atlantikinsel Noirmoutier verbindet, kann man, ob zu Fuß, per Rad oder mit dem Wagen, nur zweimal am Tag bei Ebbe benutzen. Die verfügbare Zeitspanne erstreckt sich von anderthalb Stunden vor bis anderthalb Stunden nach dem jeweiligen Tiefstand. Ein wenig weiter südlich, in Fromentine, schwingt sich seit 1971 eine bequeme Brücke übers Wasser. Doch für Einheimische und Besucher ist die mit einem kleinen Nervenkitzel verbundene Überfahrt über den jahrhundertealten, denkmalgeschützten Damm noch immer eine Attraktion ersten Ranges.