Fußball-EM 2024: England und Harry Kane hoffen auf Titel gegen Spanien

Harry Kane vergaß seine guten Umgangsformen nicht, als er zu Lamine Yamal befragt wurde. „Happy birthday“, begann der Kapitän der englischen Fußball-Nationalmannschaft am Samstag in Berlin seine Lobrede, als er erfuhr, dass das spanische Talent am Tag vor dem Europameisterschaftsfinale seinen 17. Geburtstag feierte. Mehr als der verbale Gruß aber sollte es auch nicht sein, beschenken möchten sich Kane und alle Engländer vielmehr selbst: an diesem Sonntag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-EM, in der ARD und bei Magenta TV) im Endspiel im Olympiastadion, mit dem EM-Titel. Bevor die Sprache auf die spanische Gegenwart und Zukunft kam, ging es am Vorabend des großen Endspiels aber vor allem um die englische Vergangenheit. 58 Jahre und allerhand Enttäuschungen auf der großen Fußballbühne sind vergangen, seit die Engländer letztmals einen Titel gewannen. Damals, 1966 im WM-Finale hatten sie auch vom Wembley-Tor profitiert. In Berlin sollen fast sechs Jahrzehnte des Schmerzes, der die englische Seele seither quält, enden. Oder wie Kane es formulierte: „It’s time to get it over the line.“ Diesmal aber richtig, nicht so wie vor 58 Jahren in Wembley, gegen Deutschland. Die Engländer sehen ihre Zeit gekommen, endlich den letzten Schritt zu gehen. Einer der Historie und Gegenwart verbindet, ist Gareth Southgate. Er verschoss im Elfmeterschießen 1996 im EM-Halbfinale gegen Deutschland, die Hoffnung, seinerzeit den Titel im eigenen Land zu holen, war wieder dahin. Die Erinnerung daran ist nicht vergessen, aber Southgate möchte im Hier und Jetzt leben. „Ich glaube nicht an Märchen“, sagte der englische Nationaltrainer am Samstag, „aber an Träume. Wir hatten immer sehr große Träume. Aber irgendwann muss man sie auch in die Realität umsetzen.“ Nun soll es so weit sein. Southgate erinnerte an den weiten Weg der Engländer, nicht nur bei diesem Turnier, sondern auch in den vergangenen acht Jahren, seit er den Job übernahm. Seither kamen die „Three Lions“ einem Titel näher, mehr aber auch nicht. Bei der WM 2018 ging es ins Halb-, vier Jahre später ins Viertelfinale. Die stärkste Erinnerung dieser Tage geht aber zurück ans EM-Finale, das in Wembley vor drei Jahren gegen Italien verloren ging. Nun soll es gegen Spanien anders laufen. „Wir müssen diesen letzten Schritt gehen, um den Respekt der restlichen Fußballwelt zu spüren“, sagte Southgate im Endspielstadion, 25 Stunden vor dem Anpfiff. Die Niederlagen der Vergangenheit sollen dabei helfen. Manchmal müsse man sowas erleben, findet der Trainer. „Wir haben versucht, ehrlicher zu sein bei der Analyse des Zustands, wo wir stehen. Man schaut den anderen zu, wenn sie in einem Finale stehen, dabei hatten wir immer große Erwartungen, aber die waren nicht im Einklang mit unseren Leistungen. Man muss in den Endphasen der Turniere sein, um daraus zu lernen.“ Das hat nach Southgates Ansicht nun endlich geklappt. Nun ist selbst Elfmeterschießen kein englisches Problem mehr. „Wir haben drei der letzten vier gewonnen.“ Vor drei Jahren, bei der Finalniederlage, verloren die Engländer das finale Shootout noch. „Wir waren am Boden zerstört“, sagte Kane, der sehr froh ist, nun wieder in der Situation zu sein, in einem EM-Finale zu stehen. „Wir wollen jetzt den letzten Schritt gehen. Der Titel würde uns alles bedeuten.“ Er versuche nicht zu viel daran zu denken, zumal es seine erste Trophäe mit einer Mannschaft wäre. „Der Glaube, den Titel holen zu können, ist noch gewachsen, auch durch unsere späten Tore.“ Im Achtelfinale bewahrte Jude Bellingham England vor dem Aus, im Halbfinale traf Ollie Watkins spät. Die Engländer treffen auf Spanien, die stärkste Mannschaft des Turniers. Die Favoritenrolle will Luis de la Fuente dennoch nicht annehmen: „Das überlassen wir Wettbüros und den Journalisten“, sagte der Trainer. „Diese Art von Spielen werden in Details entscheiden. Die Elf, die weniger Fehler macht, wird gewinnen.“ Daran, dass es seine sein wird, zweifelt er nicht. „Wir spielen das Finale zu einem sehr guten Zeitpunkt, denn wir sind in einer Topform.“ Nun müsse man einfach „bei unserer Idee bleiben“. Dann gibt es nach Lamine Yamals Geburtstagsfeier noch eine viel größere spanische Fiesta.