Eintracht-Neuzugang Wahi : Idealtypisch für das Frankfurter Beuteschema
Ihr Gespür auf dem Transfermarkt hat sie weit gebracht. Der Mut zum Risiko gehört zum Geschäftsmodell der Frankfurter. Als sie Luca Jovic 2017 aus der zweiten Mannschaft von Benfica Lissabon holten, war sein Name hierzulande wenigen Fußballfreunden ein Begriff. Als er ging, brachte er 60 Millionen Euro an Ablöse, überwiesen von Real Madrid. Bei Randal Kolo Muani und zuletzt Omar Marmoush wiederholte die Eintracht das Kunststück, Sternchen zu Stars zu machen, für deren Dienste Paris Saint-Germain und Manchester City Unsummen zu zahlen bereit waren.
Das Geld wurde von Markus Krösche in Kandidaten investiert, deren Potential Wachstumsfantasien weckt – sportlich und wirtschaftlich. So kam als aktuelle Neuerwerbung Elye Wahi an den Main.
Ein Schnäppchen war der Franzose nicht. Die Eintracht, die an diesem Donnerstag in der Europa League auf AS Rom trifft (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL+), musste tief in die durch den Marmoush-Deal gefüllte Kasse greifen und 25 Millionen Euro für ihn auf den Tisch legen, die der Sportvorstand mit Überzeugung zu zahlen bereit war, denn der Franzose passt idealtypisch in sein Beuteschema. Krösche verfolgt seit seinem Einstieg im Sommer 2021 bei der Eintracht die Handlungsmaxime, am liebsten junge Profis anzuheuern, die den größten Teil ihrer Karrieren noch vor sich haben und den Standort Frankfurt dazu nutzen möchten, ihr Profil zu schärfen – was beiden Seiten gewinnbringenden Nutzen verspricht.
Die Scouts der Eintracht beeindruckte das Tempo
In der Vergangenheit ging diese Rechnung wiederholt auf, nun rückt Wahi als nächstes Spekulationsobjekt in den Fokus. Er hat sich bis Ende Juni 2030 an die Eintracht gebunden. HSC Montpellier, RC Lens und Olympique Marseille heißen seine vorherigen Stationen. Bei dem Klub aus der Hafenstadt am Mittelmeer, gegenwärtig Tabellenzweiter der Ligue 1, spielte Wahi eine untergeordnete Rolle. Seine Bilanz weist 13 Spiele und drei Tore aus – alle Beteiligten hatten sich mehr voneinander versprochen, auch deswegen nahm sein ehemaliger Arbeitgeber das Angebot der Eintracht nach kurzem Poker an.
Krösche beschäftigte sich nach eigenem Bekunden schon „längere Zeit“ mit Wahi. Im Sommer 2023 tauchte sein Name erstmals auf dem Eintracht-Wunschzettel auf. Die Scouts der Frankfurter beeindruckte das Tempo, mit dem Wahi Verteidigungslinien durchdringen kann. Er kann 35 Kilometer pro Stunde schnell sprinten und zentral sowie auf den Flügeln eingesetzt werden. Dadurch passt er in den Vorstellungen der Eintracht prima zu Sturm-Kompagnon Hugo Ekitiké und dem bevorzugten Angriffsspiel, das nach der Balleroberung vertikale Pässe und Tiefenläufe hinter die gegnerischen Defensivketten vorsieht. „Wir ergänzen uns“, sagte Wahi am Dienstag am Eintracht-Campus, „das kann gut funktionieren. Ich bin hier, um Tore zu schießen.“
Groß geworden ist Wahi, der im Alter von zwei Jahren seinen Vater verlor, in der Kleinstadt Suresnes im Speckgürtel von Paris. Er besitzt neben der französischen Staatsbürgerschaft auch den Pass der Elfenbeinküste, trat in den U-Nationalteams aber stets im Dress der Grande Nation an. In seinem Heimatland gilt Wahi seit Jahren als herausragendes Talent. „Er ist neben Kylian Mbappé und Karim Benzema der dritte Spieler, der 40 Tore in der Ligue 1 geschossen hat, bevor er 21 Jahre alt wurde“, sagt Matteo Amghar, der für das französische Sportmagazin „L’Équipe“ über Fußball berichtet. Keine schlechte Gesellschaft.
Bei seinen vergangenen beiden Vereinen habe es jedoch Probleme gegeben, die dafür sorgten, dass Wahi nun den Schritt nach Deutschland ging. In Lens traf Wahi zwar, habe sich aber nicht in der Mannschaft zurechtgefunden, sodass einige Anhänger nicht böse gewesen seien, als er nach Marseille weiterzog. Dort wiederum fremdelte er mit dem Spielsystem des italienischen Trainers Roberto De Zerbi.
Nun, in der Bundesliga, sollte es besser funktionieren, sagt Amghar: „Der deutsche Fußball passt zu seinen Stärken. Wenn ihm Trainer Dino Toppmöller und die Fans vertrauen, könnte es ein super Zugang für Frankfurt sein.“ Wahi sagte, er habe sich in der Vergangenheit schon „mehrmals“ mit dem Coach ausgetauscht und „eine gute Verbindung zu ihm“.
Wahis Verhalten neben dem Platz wurde thematisiert
Neben seinen sportlichen Qualitäten wurde in seiner Heimat Wahis Verhalten neben dem Platz thematisiert. Wahi hat als Jugendlicher drei seiner Mitschüler genötigt und wurde deswegen aus dem Ausbildungszentrum des SC Caen und der Schule verwiesen. 2021 zeigte ihn eine Frau an, er habe ihr in einem Nachtclub ins Gesicht geschlagen. Wahi bestritt das Geschehen, der Fall zog keine juristischen Folgen nach sich. „Ich habe mit niemandem Probleme“, sagte er der F.A.Z., „ich fühle mich mit allen Menschen sehr wohl.“ Darüber hinaus sei es „nicht der richtige Augenblick, darüber zu reden“, fügte er an. „Eines Tages“ werde er sich dezidierter äußern.
Krösche sagte auf Anfrage: „Elye hat einen guten Charakter und hat sich in seiner Zeit als Profi nichts zu Schulden kommen lassen. Was im Heranwachsendenalter geschehen ist, ist aufgearbeitet und Vergangenheit.“ Der Sportvorstand bezeichnete den mittlerweile siebten französischstämmigen Akteur im 26 Mann zählenden Aufgebot als „einen guten Spieler und einen guten Jungen, der uns weiterhelfen kann. An seiner charakterlichen Eignung haben wir keine Zweifel“.
Am Dienstag trainierte der 22-Jährige wegen Oberschenkelproblemen individuell, das wird auch die kommenden Tage so weitergehen. Toppmöller kalkuliert für diesen Sonntag, wenn die Partie gegen Wolfsburg ansteht, nicht mit dem Bundesliga-Novizen. Seine erste Kaderberufung soll bei der Auswärtsbegegnung am 8. Februar in Mönchengladbach folgen.