Hugo Ekitiké : Der neue Lastenträger von Eintracht Frankfurt
Dieser Arbeitstag hatte Spuren hinterlassen. Es war Hugo Ekitiké anzusehen, dass ihm sein vorangegangener Einsatz zugesetzt hatte. Ein Knie war aufgeschürft, das andere von der weißen Farbe der Feldmarkierung verschmiert, während oberhalb seines Fußballschuhs die Socke auf Höhe des rechten Knöchels von einem Blutfleck durchtränkt war.
Der Franzose gehörte bis zur 82. Minute auf dem Feld zu den Spielern der Frankfurter Mannschaft, denen es an Kampfgeist im Auswärtsspiel gegen die TSG Hoffenheim nicht mangelte. Als Ekitiké den Rasen verließ, weil sich Dino Toppmöller von der Einwechslung Igor Matanovics frische Widerstandskraft in der Schlussphase versprach, lag die Eintracht in Führung.
Der Franzose hatte per verwandeltem Strafstoß (26. Minute) zunächst für das 1:0 gesorgt und mit einem Rechtsschuss die abermalige Führung erzielt (71.). Als Außenstehender musste er mit Ansehen, dass es dem Team ohne ihn nicht gelang, den Vorsprung, der am 19. Spieltag für den sechsten Auswärtssieg des Tabellendritten gesorgt hätte, zu behaupten. Das schmerzte.
„Es tut nur im Kopf weh“
„Es ist alles okay“, sagte Ekitiké auf Fragen zu den Blessuren, doch sein Gemütszustand war ungleich betrübter: „Ich kann nicht happy sein, wir haben nicht gewonnen. Es ist ein bisschen dumm, so einen Punkt zu verlieren“, sagte er. Sein malträtierter Fuß gebe ihm keinen Anlass zur Sorge, versicherte er, „es tut nur im Kopf weh“. Nachdem Ekitiké sich vor rund zwölf Monaten der Eintracht angeschlossen hatte, ist er mittlerweile in eine Leader-Rolle reingewachsen.
Er benötigte Anlaufzeit, um sich in ungewohnter Umgebung zu akklimatisieren und einen Fitnesszustand zu erreichen, der es ihm erlaubt, seine Sprintstärke ohne häufige schöpferische Pausen einzubringen. Seine individuelle Bilanz liest sich formidabel: In dieser Saison bot ihn Toppmöller wettbewerbsübergreifend 28 Mal auf, wobei Ekitiké 16 Tore und sechs Vorlagen gelangen. „Ich befinde mich gerade in einer guten Phase meiner Karriere“, sagte er selbst.
Überstrahlt wurde sein Beitrag zum Erfolg einzig von den noch spektakulärer anmutenden Geniestreichen Omar Marmoushs. Doch der Ägypter sucht nun sein Glück auf der britischen Insel bei Manchester City, für das er am Samstag sein Debüt gegen Chelsea ohne eigenen Torerfolg gab. „Dass Marmoush uns fehlt, ist logisch. Es bringt aber nichts, jetzt jedes Wochenende drüber zu reden. Es ist wichtig, dass wir als Kollektiv gut sind. Da waren wir heute nicht so griffig und gierig wie in den letzten Wochen“, betonte Toppmöller am Sonntag.
Durch den Weggang des Publikumslieblings werde Etikité „mehr Verantwortung übernehmen müssen“, hatte Toppmöller zuvor der F.A.Z. gesagt. Und nach allem, was sich in der Kürze der Zeit festhalten lasse, „sieht es so aus und fühlt es sich so an, dass er dazu total bereit ist“.
„Er mag es, die Last zu schultern“
Jan Fießer, der Assistent des Cheftrainers, der bei der Partie in der Europa League gegen Budapest (2:0) für den gesperrten Toppmöller an der Seitenlinie eingesprungen war, schilderte hinterher, dass im Betreuerstab der Eindruck vorherrsche, dass Etikité die Situation vielversprechend angenommen habe. „Er geht ein bisschen mehr aus sich heraus“, schilderte der Ko-Trainer, und wirke „aufgeblüht“.
Toppmöller untermauerte die These mit der Feststellung, dass Ekitiké, der abseits des Rasens seit seiner Ankunft in Frankfurt das Bild eines eher schüchtern anmutenden Zeitgenossen abgibt, der nicht dazu neigt, sich als Lautsprecher aus der Eintracht-Kollegschaft hervorzutun, gerne „vorneweg“ gehe. „Er mag es, die Last, in Anführungszeichen, zu schultern“, sagte der Coach.
Gegen Hoffenheim brachte es Ekitiké auf eine Laufleistung von 9,31 Kilometern, wobei er wiederholt sein eigentliches Terrain verließ und mit zurück spurtete, was dringend nötig war, weil die Eintracht immer wieder unter Pressing-Druck geriet und es versäumte, die TSG-Ketten mit Sprints oder Pässen zu durchdringen. „Wir haben viel leiden müssen“, sagte Ekitiké.
Dass er sich öfter nach hinten orientieren muss, habe der 22-Jährige bei der Eintracht erst lernen müssen, sagte Toppmöller, mittlerweile aber verinnerlicht, nachdem er ihn für seinen anfänglichen Laissez-Faire-Stil kritisiert hatte. Als er beim Spiel in Dänemark gegen den FC Midtjylland (2:1) binnen Minuten gleich dreimal versucht hatte, den Ball mit der Hacke weiterzuleiten, statt eine einfachere Lösung zu suchen, machte Toppmöller sein Missfallen öffentlich deutlich: „Es ist ganz klar, dass uns das nicht vom Hocker gerissen hat.“
„Dem Klub viel Freude bereiten“
Die Botschaft kam an. Toppmöller lobte den 1,91 Meter großen Schlaks unlängst vor versammelter Mannschaft für sein „Top-Defensivverhalten“, das er als einen Schlüssel des Erfolgs bezeichnete. Er sieht sich in der Pflicht, zu fördern und zu fordern. In der Arena in Sinsheim sah er bei dem Goalgetter jedenfalls (wie bei allen anderen) reichlich Steigerungspotenzial.
Der Angreifer müsse noch „mehr Tiefenläufe anbieten, weil er dann sehr, sehr schwierig zu verteidigen ist“. Unterstützung bei ihren Vorhaben erhalten die Frankfurter von diesem Dienstag an durch Elye Wahi. Am Morgen wird er erstmals mit den neuen Teamgefährten eine Übungseinheit absolvieren.
Ekitiké erachtet den Landsmann nicht als Konkurrenten, der ihm sein Standing streitig machen könnte, sondern sieht ihn ihm einen Kollegen, mit dem er sich ergänzen möchte. „Ich glaube, wir beide zusammen können dem Klub viel Freude bereiten“, meinte er über seinen neuen Kollegen Wahi, der die Gruppe der französischstämmigen Profis bei der Eintracht vorerst auf sieben Köpfe erweitert.
Dabei wird es voraussichtlich nicht bleiben: Der Abgang von Dina Ebimbe zeichnet sich ab. Der Mittelfeldmann, seit Wochen von Toppmöller unberücksichtigt, steht vor einem Wechsel zur AS Monaco, die vom ehemaligen Eintracht-Trainer Adi Hütter betreut wird. Nur die Frage der Höhe der Leihgebühr ist noch offen.