Mode im Kino : Endlich mal guter Stoff

In Deutschland und Frankreich ist in den Kinos gerade schöne Mode zu sehen, die mehr ist als Requisite. Die Kolumne Modeerscheinung
Die Franzosen haben Chanel. Und natürlich Dior, Yves Saint Laurent, Celine, Chloé. Aber bleiben wir bei Chanel, denn Chanel ist in diesem Herbst zumindest in den französischen Kinos auf der Leinwand zu sehen. Dabei geht es weder um die Verfilmung des Lebens von Coco Chanel noch um das Schaffen von Karl Lagerfeld (der Film dazu folgt im nächsten Jahr, in der Hauptrolle Jared Leto). „Simone, le voyage du siècle“ widmet sich hingegen jetzt Simone Veil, einer Frau, die gewiss nicht für Mode, sondern für viele andere Dinge in die Geschichte eingegangen ist. Als erste Frau in diversen höheren politischen Ämtern. Als Gesundheitsministerin sorgte sie für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Frankreich. Das war 1975.
Verfechterin des Rechts auf Abtreibung und Chanel-Cliente
Bei all diesen Tätigkeiten und Auftritten trug sie immer wieder Chanel. Hochgeschlossene Kostüme, häufig mit Muster, mehr Rüstzeug als Requisite, die zu den Dringlichkeiten ihrer Anliegen passten. Simone Veil war auch eine cliente, wie die besonders guten Kundinnen der Pariser Traditionshäuser genannt werden. Deshalb mussten auch die festen Tweed-Kostüme in diesem Film, der seit vergangener Woche in den französischen Kinos zu sehen ist, original Chanel sein.

Der Film über Veil ist ein Beispiel dafür, wie Mode im Kino gerade von einer unüblichen Seite zu sehen ist. Weder als ernsthafte Reportage über diesen oder jenen Designer, wie sie in den vergangenen Jahren immer wieder liefen, noch als Ausdruck einer amüsanten bis hohlen Lebensweise, sondern einfach als Teil einer guten Geschichte. Nebenbei erzählt diese Mode vom Selbstverständnis eines Landes. So hat Frankreich Chanel.
Von der „Sibylle“ spricht die Welt noch 33 Jahre nach dem Mauerfall
Das Chanel der DDR, wenn man so will, hieß Exquisit, die sozialistische Version eines High-Fashion-Labels, und auch dabei handelte es sich, im Paket mit der Zeitschrift „Sibylle“, um ein Kulturgut, von dem die Welt noch 33 Jahre nach dem Mauerfall spricht. Der Film darüber, „In einem Land, das es nicht mehr gibt“, läuft jetzt schon seit ein paar Wochen in den deutschen Kinos und wirft einen anderen Blick auf die DDR, auf deren kleine, kritische Modeszene und die parallel laufende Maschinerie im Namen des Glamours für den Sozialismus.
Da sind die Ostsee-Bilder, die an die Arbeit von Ute und Werner Mahler für die „Sibylle“ damals erinnern; beide waren auch jetzt an dem Projekt beteiligt. Da sind die Models, die damals nicht nur im Osten Mannequins hießen. Und da ist die Chefredakteurin dieser Zeitschrift mit den schönsten Chefredakteurinnen-Phrasen – „Beige? Wir sind doch nicht bei der ,Brigitte‘.“ Und noch schöner: „Schönheit ist ein Versprechen, dass es jenseits der Mittelmäßigkeit etwas gibt, wo Ruhe herrscht.“ So ist es endlich mal auch bei diesem Modefilm.