Aktion Plagiarius : Das ist alles nur geklaut!
Jörg Höltje ist Berliner. Er hat an der Universität der Künste in Berlin Design studiert, nebenher dort auch sein eigenes Studio gegründet, und er war eine Weile Gastprofessor an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle. Höltje, Jahrgang 1981, kennt sich aus mit gutem Design. Das zeigt auch sein Regalsystem Link, das er unter seinem Label Studio Hausen vertreibt: Es besteht aus Stahlbügeln, in denen Bretter wie bei einem Mobile zu schweben scheinen.
Das gleiche Regal hatte auch eine Firma im Programm gehabt, die sich Deutscher Möbel-Filialist nennt. Auf den ersten Blick ist das Plagiat dem Original täuschend ähnlich, doch während Höltje Wert auf Qualität legt, das FSC-zertifizierte Massivholz etwa aus nachhaltigen Wäldern in Bosnien-Hercegovina stammt und die Brackets, die Stahlbügel, im Ofen pulverbeschichtet werden, um Haltbarkeit zu gewährleisten, greift die billigere Version auf tropisches Mangoholz niederer Qualität zurück und wählt ein Metall, das sich verzieht.
Damit kam der Möbel-Filialist auf den ersten Platz beim Negativpreis Plagiarius, der am Freitag auf der Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt verliehen wurde. Allerdings zeigte sich die Firma zuvor schon einsichtig, was selten ist bei Produkt-Plagiatoren: Sie stoppte den Verkauf und vernichtete die Restbestände.
Allein in der EU wurden 2021 nach Angaben des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) und der Europäischen Kommission etwa 86 Millionen gefälschte Waren beschlagnahmt – ein Anstieg von fast 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie die Aktion Plagiarius, die alljährlich seit 1977 den schwarz lackierten Zwerg mit goldener Nase, die sich Plagiatoren ja verdienen, vergibt, mitteilte, sind die Gründe für den Anstieg vielfältig. Allerdings sei unter anderem auch die sogenannte Generation Z ein Treiber dieser Produktpiraterie: Laut „Jugendbarometer 2022 zum geistigen Eigentum“ hat schon mehr als jeder dritte jugendliche Europäer (37 Prozent) zwischen 15 und 24 Jahren einmal vorsätzlich Fälschungen gekauft. Das entspricht nach EUIPO-Angaben mehr als einer Verdopplung in den vergangenen drei Jahren. Besonders gefragt seien gefälschte Kleidung, Schuhe, Accessoires sowie Elektronik. „Hauptargumente sind der günstige Preis und die hohe Verfügbarkeit.“
Besorgniserregend seien die stark gestiegene soziale Akzeptanz von Fälschungen und die Gleichgültigkeit gegenüber der Problematik. „Eine Ursache hierfür ist der zunehmende Erfolg sogenannter ,Dupe Influencer‘.“ Der Schaden, der jährlich entsteht und dazu führt, dass auch Innovation und Kreativität auf der Strecke bleiben, ist immens: Der internationale Handel mit Fälschungen wird für 2019 auf 412 Milliarden Euro beziffert, was 2,5 Prozent des Welthandels entspricht.
Plagiarius 2023
Keine Auszeichnung: Zu den diesjährigen Preisträgern gehören neben dem Deutschen Möbel-Filialisten, der ein Regal plump nachgebaut hat (erster Platz), ein türkisches Unternehmen, das Gläser der Firma Koziol plagiiert (zweiter Platz), und eine deutsche Firma, die ein Fahrzeugdiagnosesystem von Mercedes fälschte (dritter Platz). Sonderpreise gingen an Plagiatoren einer deutschen Internetseite („Identitätsklau“), eines Systembaukastens der Solinger Firma Item („Faulster Serientäter“) und Navigations- SD-Karten von Volkswagen („Fälschung“).