Hirnforschung, was kannst du? : Schlaf kann ein Neuanfang sein

Lernstoff festigt sich maßgeblich im Schlaf. Das Gedächtnis kann in diesen Ruhephasen optimiert werden. Und auch eine „Reprogrammierung“ riskanter Verhaltensweisen scheint möglich, was Chancen für Suchtkranke birgt.
Die Relevanz des Gedächtnisses für unser Dasein wird vielen von uns nur in Ausnahmefällen bewusst, etwa wenn wir in der Schule mit Mühe Schillers „Glocke“ auswendig lernen oder im Alter die Vergesslichkeit überhandnimmt. Doch Gedächtnis ist viel mehr: Es formt unser gesamtes Wissen und damit unser Bewusstsein und unsere Persönlichkeit. Wenn ein Kind laufen und sprechen lernt, bilden sich in seinem Gehirn neuronale Gedächtnisrepräsentationen aus, die diese Fertigkeiten dauerhaft ermöglichen. Wir lernen zudem, von den Gesichtern unserer Mitmenschen Gefühle abzulesen, Wörtern Bedeutungen beizumessen und Strategien einzusetzen, um soziale Konflikte und komplexe Probleme zu lösen. Sofern erlernt, beruht alles Verhalten auf der Herausbildung überdauernder Gedächtnisrepräsentationen. Auch Erkenntnisprozesse setzen Gedächtnis maßgeblich voraus. Eine Blume beispielsweise können wir nur als solche erkennen, wenn unser Verstand bereits die Idee einer Blume beinhaltet. Entsprechend bildet sich Bewusstsein durch die kontinuierliche Einbindung akuter Sinnesempfindungen in bereits bestehende Gedächtnisrepräsentationen aus. Dieses Konzept wurde und wird von vielen Philosophen und Psychologen wie Descartes, Kant und Wilhelm Wundt vertreten. Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Gedächtnisses für die Ausbildung und Aufrechterhaltung von Bewusstsein, wie wir es im Wachzustand erleben, mag es überraschen, dass Gedächtnis zu einem großen Teil im Schlaf entsteht, einem Zustand, der ja gerade durch einen ausgeprägten Verlust des Bewusstseins charakterisiert ist. Bewusstsein und die Bildung von längerfristigen Gedächtnisinhalten scheinen jedoch zwei Prozesse zu sein, die in den neuronalen Netzwerken unseres Gehirns nicht gleichzeitig ablaufen können.