Deutscher Jugendliteraturpreis : Ein großes Wort

Ein Buch mit dreizehn Sätzen und ein Gesamtwerk mit mehr als 150 Titeln: Breit war das Spektrum der Ausgezeichneten beim Jugendliteraturpreis. Ein Geehrter findet ein unvergessliches Wort für alle, die an Literatur sparen wollen.
Nach all den geöffneten Umschlägen, all den vorgelesenen Namen, den Menschen, die selbst auf die Bühne kommen und einen Jugendliteraturpreis für das beste Bilder-, Kinder-, Jugend- oder Sachbuch entgegennehmen konnten oder Leute aus dem Verlag vorschicken und eine digitale Botschaft abspielen lassen mussten, nach all den eindringlichen Forderungen, die in Gruß- oder Dankesbotschaften erhoben worden waren, war es der Übersetzer Rolf Erdorf, der an diesem Freitagabend auf der Bühne des Saals Harmonie bei der Frankfurter Buchmesse die Worte fand, die das 1600 Gäste zählende Publikum – und Tausende mehr an den Bildschirmen, wie es zur Begrüßung hieß – mitnehmen würde.
Gerade hatte Anna Plewka als Sprecherin der Jury von Erdorfs Fähigkeit geschwärmt, nicht nur das richtige Wort, den richtigen Ton zu finden in den mehr als 150 Bilder-, Kinder- und Jugendbüchern, die Erdorf, so alt wieder Jugendliteraturpreis selbst, in vierzig Jahren aus dem Niederländischen übersetzt hat, wofür ihm an diesem Abend der Sonderpreis Übersetzung für das Gesamtwerk überreicht wurde.
Erstmals eine Bedrohung
Zuvor hatte Saša Stanišić, der 2019 für seinen Roman „Herkunft“ mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden war, mit seinem Kinderbuch „Wolf“ den Jugendliteraturpreis gewonnen. Das Buch erzählt von einem Mobbing-Vorfall in einem Waldcamp. In der Sparte Jugendbuch konnte sich Eva Rottmann mit „Kurz vor dem Rand“ durchsetzen. Im Mittelpunkt dieses Romans steht eine Skaterin, die mit ihrem Vater in einer Hochhaussiedlung wohnt.
Als bestes Bilderbuch überzeugte „Wünsche“, eine Fluchtgeschichte aus Südvietnam. Um das Thema Migration geht es auch beim Sachbuch-Sieger, dem dokumentarischen Comic „Games. Auf den Spuren der Flüchtenden aus Afghanistan“. Der Sonderpreis Neue Talente ging an Astrid Bührle-Gallet für ihre Übersetzung der französischen Novelle „Möge der Tigris um dich weinen“, die Jugendjury kürte Alice Winns historischen Roman „Durch das große Feuer“. Er erzählt von der heimlichen Liebesbeziehung zweier Freunde im Ersten Weltkrieg.

Rolf Erdorf erinnerte daran, dass wir uns nicht weismachen lassen dürften, Literatur sei etwas Esoterisches. Sie sei vielmehr essenziell. Er habe, sagte er außerdem, technische Neuerungen – Computer, Online-Wörterbücher – in all seinen Arbeitsjahren immer als Erleichterung erlebt. Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz sehe er sie erstmals als Bedrohung. Und er gab seinem Publikum ein Wort mit, um jemanden zu beschreiben, der glaubt, am menschlichen Aufwand oder seiner Honorierung beim Verfassen, Übersetzen, Produzieren oder Vermitteln von Literatur streichen zu können: Sparschwein.