Über Gitarren :
Neue Instrumente? Am besten zerkratzen und mit Kaffee übergießen!

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Michael Köhlmeier mit seiner Artur-Lang-Gitarre, aufgenommen im Jahr 2023
Kauf sie, schenk sie mir, ich schenk sie dir: Michael Köhlmeier schwärmt von Gitarren und erklärt, warum er sich an den Stücken seiner Sammlung weder sattsehen noch satthören kann.
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Die erste eigene Gitarre hat sich Michael Köhlmeier in Coburg gekauft. Eine Dreadnought. Den Korpus des nach einem Schlachtschiff benannten und vor mehr als hundert Jahren entwickelten Typs haben die meisten Leute im Kopf, wenn sie sich eine Westerngitarre vorstellen. Und was hat der junge Musiker mit seiner Neuerwerbung gemacht? Er kratzte ein Gedicht in den Rücken des Instruments, raute einige Stellen mit Sandpapier auf und färbte die frisch zugefügten Wunden mit Kaffeesatz.

Gut, könnten Laien jetzt vermuten, der hat halt nicht alle Tassen im Schrank. Wenn es dann noch heißt, die Dreadnought habe einfach zu geschniegelt ausgesehen, scheint der Fall klar zu sein. Nun muss man allerdings wissen, dass es mittlerweile eine sich zu jedem finanziellen Leichtsinn bereithaltende Anhängerschaft nagelneuer, aber auf alt gemachter Gitarren gibt. Gewünschte Optik: abgeplatztes Holz, Dellen, Dreck, Risse. Als wären die Instrumente seit Jahrzehnten im Dauereinsatz. Eine von Dale Wilson für den Fender Custom Shop nach Spezifikationen des Jahres 1955 gefertigte Stratocaster mit dem Merkmal „Heavy Relic“ (vulgo: in aufwendiger Arbeit zerschunden bis dorthinaus) kostet schon mal dreizehntausend Euro.

Der Wunsch nimmt die Dringlichkeit eines Befehls an: Mehr!

Insofern war Köhlmeier ein Trendsetter, der wusste, an welchen Stellen sich sparen lässt. Das Ergebnis seiner Handwerkskunst würde man gerne sehen. Die Chancen stehen da vermutlich schlecht. Dafür kann man jedoch das kurzweilige Bändchen über sein Verhältnis zur Gitarre konsultieren. Es ist Teil der beim Residenz Verlag erscheinenden Reihe „Dinge des Lebens“, in der ausgewählte Autoren, etwa Barbara Frischmuth oder demnächst Konrad Paul Liessmann, über Sachen schreiben, ohne die für sie alles nichts wäre.

Michael Köhlmeier: „Die Gitarre“.
Michael Köhlmeier: „Die Gitarre“.Residenz Verlag

Köhlmeier, Jahrgang 1949, hat im vergangenen Jahr den Roman „Das Philosophenschiff“ und gerade dessen Nachfolger „Die Verdorbenen“ vorgelegt. Der Gitarren-Essay ist dazwischen erschienen und profitiert vom persönlichen Ton. Wir erfahren, wie der Autor mit fünfzehn Jahren die Kuppe des Mittelfingers bei einem Unfall verlor, welche Aufnahme von Django Reinhardts „Minor Swing“ ihm am besten gefällt – und was seine Frau Monika Helfer sagte, als er mit dem Gedanken gespielt hatte, eine Gitarre für fünfundzwanzigtausend Schilling zu erwerben: „Kauf sie, schenk sie mir, ich schenk sie dir.“

Ein kleiner Schritt zu Grönemeyers Bananentexten

Über manches ließe sich gewiss streiten, etwa Köhlmeiers Überzeugung, die schönsten Jazzgitarren seien nach dem Krieg in Deutschland gefertigt worden. Amerikanische Klassiker von Gibson, Gretsch oder D’Angelico haben für ihn eindeutig das Nachsehen. Anderes werden Gitarrenfreunde direkt nachvollziehen können, zum Beispiel dies hier: „Nun besaß ich eine kleine Sammlung. Im Wort schon steckt ein Wunsch, und der Wunsch nimmt bald die Dringlichkeit eines Befehls an: Mehr!“ Das nennt man „GAS“ – Guitar beziehungsweise ­Gear Acquisition Syndrome.

Er könne sich, so beteuert Köhlmeier, an seinen Gitarren „nicht sattsehen. Und nicht satthören. In dieser Reihenfolge.“ Alles eben eine Frage der Ästhetik. Sein Vater hielt während des Frühstücks einmal inne, als „We Can Work It Out“ der Beatles aus dem Radio kam, dann sagte er: „Mein Gott, ist das schön“, um es gleich danach zu wiederholen: „Mein Gott, ist das schön.“ Dass Schönheit oft genug eine Sache der Form ist, daran denken wir, wenn Köhlmeier schildert, wie er mit einem Band-Kumpan Kauderwelsch sang, das sich wie Englisch anhörte. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zu Herbert Grönemeyers berüchtigten Bananentexten.

Am vielleicht interessantesten ist, wie sich die Welt der Gitarristen veränderte. Köhlmeier hat Grifftabellen gemalt und auf Schrammelins­trumenten gespielt. Gängiger Merksatz für die Stimmung der Saiten E, A, D, G, H, e damals: „Ein Anfänger Der Gitarre Hat Eifer.“ Heute eher: „Eddie Ate Dynamite, Good Bye Eddie.“ Auf Youtube tummeln sich inzwischen hervorragende Musiklehrer, brauchbare Gitarren gibt es längst zu erschwinglichen Preisen. Und was für Texte schreibt der Vorarlberger Schriftsteller für die Songs seiner Band? Solche: „He, Schaffner, i ha koa Karta, / bittschön, zoag mi net a!“

Michael Köhlmeier: „Die Gitarre“. Residenz Verlag, Salzburg und Wien 2024. 64 S., geb., 15,– €.
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