FAZ+Verfall der Musikkritik :
Inflation der Jasager

Von Max Nyffeler
Lesezeit: 5 Min.
Die Trophäe des Preises der deutschen Schallplattenkritik: „Die Nachtigall“, im Atelier von Daniel Richter.
Der Preis der deutschen Schallplattenkritik wird 60 Jahre alt, aber die Unabhängigkeit der Kritik auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht auf dem Spiel. Bildungsfeindlichkeit und Gefallsucht greifen um sich. Ein Gastbeitrag.
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Als eine der bedeutendsten Disziplinen des modernen Pressewesens bezeichnete Hans Heinz Stuckenschmidt, musikalischer Zeitzeuge der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts und langjähriger Mitarbeiter dieser Zeitung, 1968 in einem Vortrag die Musikkritik. Ein halbes Jahrhundert später löst diese Einschätzung ungläubiges Staunen aus. Zwar wird heute mehr denn je über alle Arten von Musik geschrieben und gesprochen, es wird medienübergreifend berichtet, gestritten und geurteilt, doch das Metier leidet seit Langem unter einem schleichenden Prestigeverlust. Er zeigt sich im schwindenden Platz in den Tageszeitungen, in den beschämend geringen Autorenhonoraren, in der oft anbiedernden Haltung der Journalisten gegenüber den Veranstaltern, in den vielen schnell dahingeredeten Meinungen. Im Rundfunk wird bei den Programmreformen der qualifizierte Musikjournalismus regelmäßig auf die hinteren Plätze verwiesen oder durch windelweiche Moderation ersetzt. Nicht zu viel Fakten, keine langen Sätze und bitte keine Fremdwörter, lautet die allgemeine Devise, denn das könnte die Hörer überfordern. So gesehen sind auch alte Kritikertugenden wie Partiturkenntnis und musikhistorisches Wissen entbehrlich.

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