„Stuff“ oder „staff“? :
Das Wir-Gefühl mit dem Krempel

Jannis Koltermann
Ein Kommentar von
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Nagelsmann und sein „stuff“/“staff“ beim Länderspiel gegen Ungarn, am 19.11. in Budapest

Bundestrainer Julian Nagelsmann lobt das Wir-Gefühl mit dem „stuff“, also „Zeug“. Das klingt philosophisch tiefsinnig, ist leider aber ein Versprecher, der den Unsinn neudeutscher Managersprache offenbart.

Dem Bundestrainer Julian Nagelsmann geht es gut. Offenbar hat dies nicht nur mit dem zunehmend selbstbewussten und erfolgreichen Spiel seiner Fußball-Nationalmannschaft zu tun. Nach dem jüngsten 1:1 in Ungarn – das vom Ergebnis her durchaus für Ernüchterung hätte sorgen können – deutete er vielmehr an, dass er sich in seiner Rolle mittlerweile auf eine deutlich umfassendere Weise wohlfühle: „Dieses Wir-Gefühl, das ich hier spüre, in Verbindung mit der Mannschaft, aber auch in Verbindung mit dem stuff, hatte ich so noch nie.“

Welch ein philosophisches Bekenntnis! Nagelsmann fühlt sich allem Anschein nach nicht nur seinen Spielern, also den Menschen um ihn, zutiefst gemeinschaftlich verbunden, sondern auch dem stuff, dem „Zeug“, den Dingen um ihn. Denker aller Schulen rätseln nun, wie diese Worte zu deuten sind.

Darf man mit Heidegger annehmen, dass Nagelsmann, nachdem er zu Anfang seiner Amtszeit die Welt als widerspenstig und allenfalls „vorhanden“ erlebte, ihre intuitive „Zuhandenheit“ nun ganz anders wertschätzen kann? Oder ist das Wir-Gefühl, das der Bundestrainer in Bezug auf die Dinge erlebt, das Ergebnis einer mystischen Suche nach dem Einssein mit der Welt, bei der der Bundestrainer womöglich sogar Gott erfahren hat? Denn, wie es bei Meister Eckhart heißt: „Alle Dinge sind eins in Gott, und Gott ist in allen Dingen eins.“

Die marxistische Deutung triumphiert

Doch die kontextualisierende Hermeneutik erhebt Einwände. Gleich im Anschluss an sein philosophisches Selbstbekenntnis lobt Nagelsmann nämlich nicht nur abermals seine Spieler, sondern auch seine Mitarbeiter. Da dämmert es einem, dass der Bundestrainer womöglich gar nicht von stuff, mit kurzem „a“, sprechen wollte, sondern staff meinte. Denn das Wort staff, das der Brite mit langem „a“, der Amerikaner wie „ä“ ausspricht, meint im Englischen die Mitarbeiter einer Organisation oder die direkten Untergebenen einer Führungskraft.

In diesem Sinne wird das Wort von der neuen Managergeneration auch im Deutschen immer wieder dort gebraucht, wo man früher von „Stab“ gesprochen hätte (etwa in „Generalstab“, „Mitarbeiterstab“ oder „Trainerstab“). Für diesen grassierenden Austausch von „Stab“ durch staff spricht zwar nicht viel, aber immerhin, dass die beiden Wörter etymologisch einen gemeinsamen Ursprung haben.

So mag zuletzt die marxistische Deutung triumphieren: Vermutlich wollte Nagelsmann, indem er Menschen meinte, aber „Zeug“ sagte, auf ebenso subtile wie provokante Weise die Verdinglichung der Welt bloßstellen. Während die Denker noch disputieren, erlauben wir uns einen altklugen Ratschlag: Wer sich in neudeutscher Coolness übt, sollte die englischen Wörter zumindest richtig aussprechen – sonst kann es zu allerlei philosophischer Verwirrung kommen.

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