Königinnenzwist : „Weniger aufgetakelt“ ohne Krone

Die größten Primadonnen schrecken vor nichts zurück, wenn sie von Annie Leibovitz verewigt werden sollen. Whoopi Goldberg legte sich für die Starfotographin, die inzwischen selber so berühmt ist wie ihre prominenten Motive, in eine Badewanne voller Milch, die schwangere Demi Moore soll zwölf Stunden still gesessen haben, während Visagisten ihren Körper gestalteten, Kate Winslet sprang wiederholt in einen Wassertank, um als glanzvolle Nixe geknipst zu werden, und Clint Eastwood wurde für sein Porträt mit einem Seil eingeschnürt.
David Hockney erzählt, wie er von Annie Leibovitz in einen Kombiwagen gepackt und zwei Stunden lang ins kalifornische Hochland gefahren wurde, wo die Fotografin einen flachen Horizont suchte. Als dieser endlich gefunden war, wurde unter gewaltigem Aufwand „die ganze tolle Apparatur“ aufgebaut, und endlich entstanden „die angeblich ganz spontanen, natürlichen Aufnahmen“. Hockney vertrieb sich unterdessen die Zeit, indem er die Inszenierung mit seiner eigenen Kamera festhielt. Die Bilder fügte er zu einer Collage zusammen, zu der Annie Leibovitz später bemerkte, sie habe damals schon das Gefühl gehabt, Hockney sei an jenem Tag das eigentliche Foto geglückt.
Die britische Königin muss viel über sich ergehen lassen, ohne eine Miene zu verziehen, aber für den Jahrmarkt der Eitelkeiten ist sie sich zu schade, wie Annie Leibovitz zu spüren bekam. Als er sich verhaspelte, mag George W. Bush in den Augen Elisabeths II. den liebevoll-tadelnden Blick entdeckt haben, den eine Mutter ihrem Sohn zuwirft. Annie Leibowitz hingegen wurde zornig angeblitzt, weil sie es wagte, der Königin vorzuschlagen, ihre Krone zu entfernen, um weniger „aufgetakelt“ zu wirken.

Für die offiziellen Aufnahmen anlässlich eines Staatsbesuchs in den Vereinigten Staaten war Ihre Majestät wie bestellt im Ornat des Hosenbandordens erschienen, mitsamt dem dazu passenden Diadem. Die notorisch fordernde Fotografin fand, das Porträt würde besser aussehen ohne den Haarschmuck, weil doch die Robe schon so außergewöhnlich sei.
Noch ehe das Wort „extraordinary“ über ihre Lippen ging, fuhr die Königin sie an: „Weniger aufgetakelt? Was glauben Sie, was das ist?“ Ihre Kammerfrau fauchte sie an, sie habe, vielen Dank, genug von dieser Ankleiderei. Später kehrte sie in den Salon zurück, ohne Robe, und ließ sie sich mit weißer Stola über einem Kleid aus Goldbrokat und mit Diadem vor offenem Fenster fotografieren. In dem bleiernen Londoner Winterhimmel hatten Beobachter bislang ein Sinnbild des Alterns gesehen. Inzwischen wissen wir, dank einer Filmmannschaft, die die Szene für eine Dokumentarserie der BBC eingefangen und die Meinungsverschiedenheit durch Schnitte zusätzlich dramatisiert hat, dass sich in den Sturmwolken die königliche Laune spiegelt.