Lebewesen der Woche :
Der Wasserbüffel und seine zweifelhafte Prominenz

Von Cord Riechelmann
Lesezeit: 3 Min.
Wasserbüffel auf einer Wiese  in der Nähe von Kloster Zinna  in Brandenburg
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Brandenburg hat den Wasserbüffel berühmt gemacht. Dabei ist er eigentlich aus ganz anderem Grund interessant.
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Es gibt in der Philosophie von Gilles Deleuze und Félix Guattari einen methodischen Hinweis, der angewandt so lautet: Wenn man die Ökologie eines Lebewesens, sei es eine Pflanze, ein Tier oder ein Mensch, beschreiben will, ist es immer besser, die Routen und die Geschichte des Welthandels und seiner Warenströme zu berücksichtigen. Denn, um die beiden, die auch bedeutende Naturphilosophen waren, zu paraphrasieren: Es gibt immer einen Wasserbüffel in Brasilien oder Australien, der seine Domestizierung leugnet, weil er verwildert lebt, und seine Herkunft maskiert, indem er sich so selbstverständlich bewegt, als sei er immer schon da gewesen. Und aus Australien und Brasilien kommen die dort auch verwildert lebenden Wasserbüffel ursprünglich bestimmt nicht.

Was man von jenen Tieren auf einem Büffelhof in Brandenburg, bei denen vor zwei Wochen der erste Ausbruch der Maul- und Klauenseuche seit 1988 hierzulande festgestellt wurde, nicht unbedingt sagen kann. Bei der Maul- und Klauenseuche handelt es sich um eine hochinfektiöse Viruserkrankung, die Klauentiere wie Rinder, Ziegen, Schafe und Schweine, aber auch Zoo- und Wildtiere befallen kann. Dabei ist der Erreger äußerst widerstandsfähig, erträgt auch außerhalb von Wirtskörpern monatelang kalte Temperaturen und kann durch Tröpfcheninfektion, direkten Kontakt, kontaminierte Fahrzeuge oder Gegenstände und die Luft übertragen werden.

Was die Aufregung um die Erkrankungen der Büffel verständlich macht. Es ergab sich aber, dass auf der Grünen Woche in Berlin kurz nach der Erkrankung der Büffel der von Veterinärmedizinern und ökologischen Landwirten vorgelegte „Kritische Agrarbericht“ auch ein Kapitel über die Maul- und Klauenseuche enthielt, in dem in Bezug auf die stetige Zunahme und Ausbreitung von Tierseuchen auch auf die Bedeutung von Handelswegen und -abkommen verwiesen wurde.

Auch wenn es die Wasserbüffel von Brandenburg eher zufällig traf und sich der Infektionsweg kaum nachvollziehen lassen wird, fügt sich ihre Erkrankung doch in einen allgemeinen Trend. Die seuchenartigen Infektionen unter Haus-, Nutz- wie Wildtieren nehmen weltweit zu, und die zeitlichen Abstände zwischen ihren Ausbrüchen verkürzen sich immer mehr. Dabei ist etwas unfair, dass die Büffel ausgerechnet über eine fiese Seuche zu öffentlichen Personen werden. Die Tiere sind eher für etwas anderes exemplarisch, nämlich für die fortschreitende Auflösung der Unterscheidung von Haus- oder Nutz- und Wildtieren.

Wilde und domestizierte Büffel

Heute stehen den auf allen Kontinenten lebenden um die 150 Millionen domestizierten Hauswasserbüffeln etwa 200 bis 4000 wilde asiatische Wasserbüffel gegenüber, die versprengt in Reservaten in Indien, Nepal und Thailand leben und als stark gefährdet gelten. Dass die Schätzungen der wilden Büffel so stark schwanken, hängt mit der Geschichte der Wasserbüffel zusammen, die es fast unmöglich macht, eindeutig zwischen wilden und domestizierten Büffeln zu unterscheiden.

Mit der Domestizierung der Büffel vor ungefähr 4000 Jahren vor unserer Zeit in Südostasien begann auch die Attraktion der Hausbüffelherden für die Wildform und umgekehrt. Weil Büffelgruppen nie als geschlossene auftreten, die Fremde erst einmal abwehren, sondern offen für vermeintlich Fremde bleiben, suchen Wildbullen immer wieder Hausbüffel auf, um sich mit deren Kühen zu paaren. Dabei kommt ihnen zugute, dass Hausbüffelkühe offenbar die wilden Bullen bevorzugten. Andersherum werden bis heute entlaufene Hausbüffel in Wildherden aufgenommen, was die genetische Verwirrung in beide Richtungen komplett macht. Bedeutender sind aber die guten Gründe, die zur Domestikation der Büffel führten.

Alle Hauswasserbüffel stammen vom Asiatischen Wasserbüffel (Bubalus arnee) ab und teilen sich grob in zwei Typen ein: Sumpfbüffel und Milchbüffel. Sumpfbüffel wurden und werden in erster Linie zur Arbeit in Reisfeldern eingesetzt, dienen aber auch als Fleischlieferanten. Milchbüffel werden dagegen sowohl als Arbeitstiere als auch zur Milcherzeugung genutzt. Heute sind die Milchwasserbüffel insofern prominent, weil ihre eiweißhaltige Milch kräftiger schmeckenden Mozzarella liefert als die der gewöhnlichen Hauskühe. Zudem sind die von einer alten Wasserbüffelkuh angeführten Tiere, die das bestimmende Tier bleibt, auch wenn männliche Tiere sich den Gruppen anschließen, im Grunde friedlich gegenüber Menschen, wenn man sie nicht ärgert.

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