Kommentar : Vergleichen
Kann man den Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg und den Krieg von heute auf irgendeine Weise vergleichen? Ja, nun - wenn man die Frage so stellt, bleibt nur eine Antwort übrig: Man kann. Jörg Friedrich, der da fragt, hat sich bisher ...
Kann man den Zweiten Weltkrieg, den Kalten Krieg und den Krieg von heute auf irgendeine Weise vergleichen? Ja, nun - wenn man die Frage so stellt, bleibt nur eine Antwort übrig: Man kann. Jörg Friedrich, der da fragt, hat sich bisher eigentlich nicht als Fachmann für historisches Vergleichen ins Spiel gebracht, eher als Experte des Gegenteils: des Unvergleichbaren. Er hat die Verbrechen der Wehrmacht im Rußland-Feldzug und den Bombenkrieg der westlichen Alliierten gegen Hitlerdeutschland dokumentiert, und gerade bei letzterem Thema, dem er eine aufsehenerregende Studie ("Der Brand") und einen erregungskundigen Bildband ("Brandstätten") widmete, hat sich Friedrich, wenngleich er auch Dresden und Hiroshima nebeneinanderstellte, aller sonstigen Vergleiche enthalten, besonders des einen, den ihm seine publizistischen Gegner unterjubeln wollten, des Vergleichs mit dem Holocaust. Was also bringt den Historiker dazu, drei "Kriege", von denen einer nicht geführt, der andere nie offiziell erklärt wurde, zu parallelisieren? Vielleicht war es der Ort, an dem er auftrat, die American Academy am Berliner Wannsee, in der sich alljährlich eine Gruppe transatlantischer Stipendiaten ihren Forschungsprojekten und dem Kennenlernen deutscher Wirklichkeiten widmet. Hier, mag sich Friedrich gedacht haben, wird der alliierte Bombenkrieg mit anderen Augen gesehen als drüben in Charlottenburg; hier, unter Amerikanern, drängt sich beim Gedanken an brennende Häuser auch ein anderes, zeitlich näher liegendes Schreckensbild auf. Worin aber liegt nun die Verbindung zwischen dem Tag von Dresden und dem 11. September 2001, zwischen der atomaren Drohung im Kalten Krieg und der terroristischen Bedrohung von heute? Friedrich fand sie bei den Opfern der drei Kriegsszenarien, der städtischen Bevölkerung. Der Bombenkrieg hat die Städte zerstört, ein Atomkrieg hätte sie ausgelöscht, der neue Terrorismus sucht sich dort seine Ziele. Jedesmal gehe es darum, eine "Todeszone" zu schaffen, "Ground Zero" (Friedrich), innerhalb deren möglichst viele schutzlose Zivilisten ums Leben kämen. Und wo die Selbstmordattentate und schmutzigen Bomben von heute als "Waffen des armen Mannes" gebrandmarkt würden, so Friedrich weiter, da seien doch auch die sauberen Atommächte schon arme Leute gewesen, weil sie nicht genügend Bodentruppen gehabt hätten, um den Gegner zu überrennen. Sogar Churchill habe den Luftkrieg aus einer Position der Schwäche heraus betrieben und seine Bomber im Schutz der Nacht zu ungezielten Flächenangriffen losgeschickt, um nicht zu viele von ihnen an die deutschen Jäger zu verlieren. Warum sollte Al Qaida es anders machen? "Warum sollten Terroristen skrupulöser sein als die zivilisierten Nationen, die vom Bomben- zum Atomkrieg übergingen?" Am Ende dieses gut einstündigen Vortrags war man fast bereit, eine Linie von Dresden und Hamburg über Hiroshima bis zu den Bahnhöfen von Madrid zu ziehen. Aber dann zergingen Jörg Friedrichs Vergleiche in der klaren Nachtluft vor der Akademie-Villa doch so rasch, wie sie gekommen waren. Denn eigentlich hatte der Redner, hier wie in seinem "Brand"-Buch, doch nur eins bewiesen: daß man historische Phänomene nicht isolieren kann, ohne sie zu simplifizieren. So vereinfacht, werden sie vergleichbar. Aber die Vergleiche sagen dann mehr aus über den, der sie zieht, als über ihren Gegenstand.
kil