Bücher : Pariser Flora
Höfischer Etikette entsprach dies ganz und gar nicht: Der König steht, und der Mime sitzt. Dann werden die Plätze getauscht, und jetzt legt Hofschauspieler Josef Kainz sogar vertraulich seine Hand auf die Schulter Ludwigs II. Zwar musste ein Retuscheur später diese Geste löschen, aber der bei Hartung & Hartung im Rahmen der Auktionen vom 7. bis zum 9. Mai zu versteigernde Abzug zeigt sie noch original. Diese vielleicht einzigen Bildzeugnisse der homoerotisch geprägten Beziehung entstanden 1881 in Luzern. Der bayerische „Märchenkönig“ reiste mit Kainz auf den Spuren von Schillers „Tell“ und verlangte gewaltige Soloauftritte: An vermeintlichen Originalschauplätzen sollte Kainz, in glühender Hitze wie bei Mondschein, bis zur Erschöpfung für Ludwig als einzigem Zuschauer endlos Texte deklamieren. Das gab Streit.
Die beiden Fotos waren kaum im Kasten, da reiste man ab, und der König ließ seine „vielleicht letzte Liebe“ nie wieder in seine Nähe. Ihre Schätzung von zusammen 2000 Euro dürften die Atelieraufnahmen dank der aktiven Ludwig-Fangemeinde spielend überschreiten. Dieselbe Quelle hat noch Briefe des Monarchen an den Vertrauten Karl Hesselschwerdt hergegeben: Auch sie lassen sein Männerbegehren durchblicken - und seine Bauwut, wenn er zur Eile mahnt wegen der „Elfenbeinlüster für das Badetoilettenzimmer“ in Schloss Herrenchiemsee (Taxen 1000 bis 5000 Euro).
Unter knapp achtzig Handschriften zu Auktionsbeginn brilliert ein prächtiges Chorbuch von 1484 für den Gebrauch der Bologneser Augustiner. Auf Pergament geschrieben, schmücken das „Antiphonarium secundum consuetudinem romanae curiae“ schönste Initialen in Gold und Farben (28.000). Im selben Jahr druckt Anton Koberger das Geschichtswerk „Chronicon“ vom Florentiner Erzbischof Antonius Florentinus; für das Erstausgaben-Exemplar in Holzdeckelbänden der Zeit erwartet man 20.000 Euro. Pralle Vielfalt bieten naturwissenschaftliche Werke wie Pierre Bulliards seltene, 1776 gestartete „Flora parisiensis“, Pariser Pflanzen in delikaten Farben (11.000).
Höchstgeschätztes Buch ist mit 80.000 Euro Lucas Janszoon Waghenaers Seekartenwerk „Speculum nauticum“ von 1586, sein Folioformat erleichterte seinerzeit die Kursfindung enorm. Avantgardekünstler wie Heckel, Klee, Schmidt-Rottluff und Feininger füllten 1918 den ersten Jahrgang von Paul Westheims Mappenwerk „Die Schaffenden“: Vierzig Blätter, fast alle signiert, enthält diese außerordentliche Rarität in Vorzugsausgabe (60.000). Von Brechts Erstling „Baal“ waren 1920 keine dreißig Exemplare gedruckt, als es der Münchner Georg Müller Verlag vom Programm strich (die offizielle Erstausgabe besorgte 1922 Kiepenheuer); Ein Exemplar des extrem seltenen „Vorläufers“, es trägt das Exlibris der Schauspielerin Tilla Durieux, kommt bei 5000 Euro zum Aufruf.