ZDF-Krimi von Lars Becker :
Sie bringt die Erfahrung mit, er das Lokalkolorit

Von Matthias Hannemann
Lesezeit: 3 Min.
Auf dem Deich: Gloria (Thelma Buabeng) und Pieper (Artjom Gilz)
Lars Becker hat mit „Die Polizistin und die Sprache des Todes“ den Auftakt für eine neue Krimireihe entworfen. Sie handelt von einer schwarzen BKA-Profilerin in der norddeutschen Provinz. Der Start ist holprig.

Ab und zu vergessen deutsche Produktionen vor lauter Haltung, dass ein Film in erster Linie funktionieren muss, fesseln, unterhalten zumal. Im Auftakt einer neuen Reihe um die schwarze Sonderermittlerin Gloria Acheampon vom BKA ist das der Fall.

Natürlich ist es an der Zeit für mehr Diversität im deutschen Krimi: Zwischen 1986 und 1997 gab es zwar schon den schwarzen, vom Niederbayern Charles M. Huber gespielten Kommissar Henry Johnson in der Reihe „Der Alte“, anschließend ersetzt durch Pierre Sanoussi-Bliss als Axel Richter – echte Pioniere, so wie auch Erol Sander in der RTL-Serie „Sinan Toprak ist der Unbestechliche“ (1999) und Mehmet Kurtuluş als Cenk Batu im „Tatort“ (2008) als erste türkische Kommissare Fernsehgeschichte schrieben.

Doch heute geht es noch einmal ganz anders darum, die Realitäten des Einwandererlandes Deutschland im Fernsehen zu spiegeln. Im „Tatort“ aus Göttingen ermittelte deshalb von 2019 bis Anfang dieses Jahres die Kommissarin Anaïs Schmitz (Florence Kasumba), im „Flensburg-Krimi“ hatte 2021 Eugene Boateng als Kommissar Antoine Heller seinen Einstand, und im „Po­lizeiruf“ aus München war neulich immerhin schon der schwarze Gastermittler Otto Ikwuakwu (Bless Amada) zu sehen.

Die beiden letzten Beispiele zeigen aber auch, dass eine zeitgemäße Besetzung nicht von der Verpflichtung zu gelingender Unterhaltung entbindet. Die Hauptsendezeit verlangt, völlig unabhängig von der Hautfarbe, nach guten Drehbüchern und Inszenierungen – wie sie etwa der Autor und Regisseur Lars Becker regelmäßig liefert, Schöpfer der Krimiserien „Nachtschicht“ und „Der gute Bulle“. Umso erstaunlicher, dass die erste Runde seiner neuen Reihe derart mühsam, ja holprig und bis auf einige Regenszenen fast ohne Thriller-Atmosphäre daherkommt. War in den Ankündigungen nicht von einem „Neo-Noir-Krimi“ die Rede? In der ersten Filmhälfte käme wohl niemand auf diese Bezeichnung. Vielleicht liegt es daran, dass sich Becker besser mit Großstädten auskennt als mit der Provinz.

Nicht das erste Opfer aus der Gegend

Vielleicht aber auch an den vielen Jacken, in die Gloria Acheampong hineinschlüpfen muss. Becker beschreibt seine Heldin im Pressematerial als „selbstbewusst, kompetent, emanzipiert, feministisch, schlagfertig, witzig, attraktiv – und deutsch“. Eine „Hypersensibilität gegenüber Diskriminierung und Rassismus“ zeichne sie aus, eine „offene Mentalität“ und die Grundhaltung „Ich vertrete das Gesetz, aber ich habe Moral“. Im Film werden wir außerdem sehen, dass sie alleinerziehend ist und blitzgescheit und Albert Camus zitieren kann.

Wie soll die Schauspielerin Thelma Buabeng das alles schultern? Vom ­Auftreten her könnte die 43-jährige, die in Ghana geboren wurde und im Rheinland aufwuchs, mit ihrem ernsten Blick und überzeugender Komm-du-mir-nicht-blöd- At­ti­­tüde eine vielversprechende Einzel­ermitt­lerin sein. Aber unter dem Gewicht dieser Rollenzuschreibung kann man kaum unbeschwert ins Rampenlicht treten.

So oder so: An der deutsch-dänischen Grenze wird eine Leiche gefunden. Es handelt sich um eine Frau aus Ghana, die in einem Bordell tätig war. Sie ist nicht die Erste aus der Gegend, die eines unnatür­lichen Todes verstarb. Vor ihr wurden bereits zwei andere Frauen ermordet – von Rudi Butscher (Nicholas Ofczarek), der für diese Taten bereits im Gefängnis sitzt.

Rettung des durchwachsenen Auftakts

Die BKA-Expertin Gloria Acheampong ist mit dem Fall bestens vertraut und auch sonst viel erfahrener als der Kollege in der Provinz. Fünfzig Leichen hat sie bereits gesehen. Der Dorfpolizist Pieper Olson, den Artjom Gilz („Das Boot“, „Charité“) mit nordfriesischem, leider arg in den Mur­melbass kippenden Zungenschlag mimt, kommt nur auf 7. Wenn er seine Eltern und einige Verkehrsunfälle mitzählt.

Die ersten Nachforschungen führen das Duo zu besagtem Bordell, das unter anderem Kevin Schippers (Enno Trebs), der Sohn des Bürgermeisters, gern frequentiert. Dann zum Bürgermeister Johnny Schippers (Michael Lott) höchstselbst, der ein rassistischer Unsympath ist: „Sie können hier nicht weiterermitteln. Von mir aus kann das BKA jemand anderes schicken.“ Fehlt nur noch, dass im Hintergrund einige Party-People rechts überholend nach Sylt durchbrettern.

Boden unter den Füßen bekommt die Geschichte erst, als sie Rudi Butschers Biographie und Familie auszuleuchten beginnt. Der Österreicher Nicholas Ofczarek, Burgschauspieler und im Fernsehen zuletzt vor allem als Kommissar in „Der Pass“ eine Wucht, mimt ihn als bulligen Knasti, der Frauen hasst und Kreide gefressen hat. Er allein rettet den durchwachsenen Auftakt durch seine Präsenz, und in den Dialogen mit ihm kann endlich auch Thelma Buabeng an Kontur gewinnen. Die zweite Folge um die Profilerin Gloria Acheampong wird trotzdem nachlegen müssen.

Die Polizistin und die Sprache des Todes läuft heute um 20.15 Uhr im ZDF.
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