Festnahmen in Italien : Die Nonne, die für die Mafia gearbeitet haben soll
Die Strafverfolger der Anti-Mafia-Direktion in Brescia in der norditalienischen Region Lombardei haben bei einer Razzia gegen das organisierte Verbrechen gut zwei Dutzend Haftbefehle vollstreckt. Zu den Hauptverdächtigen gehören neben zwei ehemaligen Lokalpolitikern der rechten Regierungsparteien Brüder Italiens und Lega auch die 57 Jahre alte Nonne Anna D., Ordensfrau der Barmherzigen Schwestern in Mailand. Von den Verdächtigen sitzen 14 in Untersuchungshaft, gegen elf wurde Hausarrest verhängt. Der Schlag der Ermittler richtete sich gegen den ’ndrangheta-Clan der Alvaro aus dem Städtchen Sinopoli in der süditalienischen Region Kalabrien.
Nach Überzeugung der Ermittler hatte der Clan der kalabrischen Mafiaorganisation seit Jahren Wirtschaft und Politik in Brescia und Umgebung infiltriert. Den Verdächtigen wird Schutzgelderpressung und Bestechung, Drogen- und Waffenhandel, Hehlerei und Wucher sowie Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Wählerstimmenkauf zur Last gelegt. Bei dem Zugriff, an dem rund 300 Beamte beteiligt waren, konnten in Brescia und Bergamo sowie in Verona und Treviso Drogen, Waffen und große Summen Bargeld sichergestellt werden. Den Wert der beschlagnahmten Güter und des Bargelds bezifferten die Ermittler auf gut 1,8 Millionen Euro.
„Eine von uns“
Wie italienische Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise berichteten, leistete die ehrenamtlich in Gefängnissen von Brescia und Umgebung tätige Ordensschwester Anna D. Botendienste zum Austausch von Informationen zwischen inhaftierten Clanmitgliedern und deren Komplizen in Freiheit. In abgehörten Telefongesprächen sollen örtliche Bosse des Alvaro-Clans die Nonne als „eine von uns“ beschrieben haben. Die Ordensschwester soll ihrerseits die Clan-Bosse gebeten haben, die schützende Hand über ihre schuldhaft in einen Autounfall verwickelte Nichte zu halten.
In einem weiteren abgehörten Telefonat soll die Nonne ihre Nichte dann mit den Worten beruhigt haben, „ihre Freunde“ würden sich „der Sache annehmen“ und also ihren Einfluss auf den mit dem Fall befassten Richter geltend machen. Die Ordensfrau hatte 2020 dank eines Interviews mit dem katholischen Kirchensender TV2000 in Italien eine gewisse Berühmtheit erlangt.
In dem Gespräch beschrieb sie ihre ehrenamtliche Tätigkeit für die Gefangenen, die „Barmherzigkeit und Vertrauen, aber auch Festigkeit“ bräuchten. Weil die Nonne in ihrer Freizeit auch als Fußballschiedsrichterin tätig war, war sie weithin als „Schwester Collina“ bekannt – in Anspielung auf den Namen des mehrfach zum Weltschiedsrichter des Jahres ausgezeichneten italienischen Schiedsrichters Pierluigi Collina.