Los Angeles : Der Wind könnte das Feuer neu anfachen
Wettlauf mit der Zeit in Los Angeles: Feuerwehrleute versuchen, die heftigen Brände einzudämmen, bevor zunehmende Winde sie wieder eskalieren lassen. Die Zahl der bestätigten Todesfälle stieg auf 24, weitere Menschen werden noch vermisst. Mehr als 100.000 Bewohner mussten ihre Häuser verlassen und durften weiterhin nicht zurück.
Das Feuer, das ganze Straßenzüge des Stadtteils Pacific Palisades verwüstet hatte, war am Sonntag weiterhin nur zu elf Prozent gelöscht. Der US-Wetterdienst sagte für Montag und Dienstag wieder stärkere Winde voraus. Es wurde befürchtet, dass sie die Flammen in Richtung weiterer Stadtbezirke wie Brentwood treiben könnten.
„Wir brauchen von Mutter Natur eine Pause“, sagte Brice Bennett von der kalifornischen Behörde Cal Fire dem Nachrichtensender CNN. „Wir haben die Feuerwehrleute, wir haben das Wasser, wir brauchen mehr Zeit.“ Die Löschbrigaden arbeiteten weiter in Schichten von 24 und 36 Stunden am Stück.
Keine Löschflugzeuge bei starkem Wind
Ein großes Problem sei, dass mit Winden über 30 Meilen pro Stunde (rund 50 km/h) die Löschung aus der Luft nicht mehr funktioniere, sagte Bennett. Denn der Wind verwehe das Wasser, bevor es in einer Ladung am Boden ankommen könne. Unterdessen trieben die Winde Funken durch die Gegend, die neue Feuer starteten.
Am Anfang hatten Böen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 Meilen pro Stunde (160 km/h) das Feuer schnell ein Haus nach dem anderen verschlucken lassen.
Die Menschen mussten fliehen – und einige blieben zurück, um ihre zum Teil seit Jahrzehnten bewohnten Häuser zu retten. Einige von ihnen waren erfolgreich, andere sind jetzt unter den Toten. Den neuen Angaben zufolge starben bei dem „Eaton“-Brand in der Nähe von Altadena und Pasadena 16 Menschen – und acht weitere im westlichen Pacific Palisades.
Ein als Feuerwehrmann verkleideter Plünderer
Viele Bewohner wissen nicht, ob ihre Häuser abgebrannt oder nur beschädigt sind. In Fernsehaufnahmen sind gelegentlich Gebäude zwischen Ruinen zu sehen, die das Feuer wie durch ein Wunder verschonte. Bevor die Bewohner näheres erfahren können, müssen sie aber an einem Checkpoint warten, bis einige in Polizeibegleitung in die Sperrzone dürfen. In den vergangenen Tagen wurden mehrere Leute wegen des Verdachts von Plünderungen festgenommen. Einer von ihnen tarnte sich laut Medienberichten als Feuerwehrmann.
Damit die Menschen schneller erfahren, was mit ihren Häusern passierte, werden die Straßen nun Gebäude für Gebäude abfotografiert. Die Bilder werden auf einer Website hochgeladen. Mit den Fotos können die Betroffenen auch ihre Versicherungen informieren. Diese Inspektionen sollen in zwei Wochen abgeschlossen werden, sagte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom.
Wie Musks Starlink helfen soll
Die Trümmer in den verwüsteten Straßenzügen wegzuräumen könnte nach Newsoms Schätzung sechs bis neun Monate dauern. In den Bränden wurden nach bisherigen Angaben mehr als 12.000 Gebäude zerstört oder beschädigt.
Der Gouverneur verwies zudem darauf, dass die Räumungsarbeiten durch die Verbreitung von Elektroautos und dazugehöriger Infrastruktur wie Batteriespeicher von Tesla an den Gebäuden erschwert würden. Die Rückstände der Batterien müssten fachgerecht entsorgt werden.
Tech-Milliardär Elon Musk will an den von Bränden betroffenen Gebieten von Los Angeles kostenloses Internet über das Satellitensystem Starlink anbieten. Dafür sollen Starlink-Empfangsanlagen mit offenem WLAN dort platziert werden, wo sie am meisten benötigt würden, schrieb Musk auf seiner Onlineplattform X. Zur Stromversorgung sollen „Cybertruck“-Elektro-Pick-ups des von Musk geführten Autobauers Tesla dienen. Auslieferungen neuer „Cybertruck“-Fahrzeuge in Kalifornien würden sich um mehrere Tage verzögern, da Tesla neue Wagen dafür einsetzen werde, kündigte Musk an. Er ist auch Chef der Weltraumfirma Space X, die Starlink betreibt.
Trump spricht von „inkompetenten Politikern“
Musk, der zu einem engen Vertrauen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump wurde, kritisiert zugleich seit Tagen die Verantwortlichen in Kalifornien. Trump hatte auf seiner Plattform Truth Social geschrieben: „Die Brände in LA wüten immer noch. Die inkompetenten Politiker haben keine Ahnung, wie sie zu löschen sind.“
Er beschwerte sich, dass die Brandbekämpfung nicht schnell genug vorankomme. Tausende prächtige Häuser seien zerstört, und viele weitere würden bald verloren gehen. „Überall gibt es Tote. Dies ist eine der schlimmsten Katastrophen in der Geschichte unseres Landes“, schrieb er auf Truth Social. „Sie schaffen es einfach nicht, die Brände zu löschen. Was ist nur los mit ihnen?“
Auch Trumps künftiger Vizepräsident J. D. Vance beklagte sich öffentlich über den Umgang mit den Feuern. „In Kalifornien gab es einen gravierenden Mangel an kompetenter Führung, und ich denke, das ist einer der Gründe, warum diese Brände so schlimm geworden sind“, sagte Vance dem Sender Fox News.
Der Republikaner Trump liegt seit jeher im Clinch mit der Führung in der Demokratenhochburg Kalifornien. Dass er ab dem 20. Januar wieder ins Weiße Haus einzieht, könnte sich bei den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbau im Großraum LA bemerkbar machen – etwa wenn es um Hilfen des Bundes geht.
Gerangel mit dem Gouverneur
Trump hatte bereits zuvor explizit gegen den demokratischen Gouverneur Kaliforniens ausgeteilt und ihn für das Ausmaß der Brände im Großraum Los Angeles verantwortlich gemacht. Konkret kritisierte er Wassersparmaßnahmen Newsoms. Trump hatte in der Vergangenheit schon häufiger gegen den prominenten Gouverneur gewettert und dessen Politik als radikal bezeichnet.
Newsom hatte Trump angesichts der aktuellen Kritik eingeladen, sich das Ausmaß der Feuer in Los Angeles persönlich anzusehen. In einem Interview mit dem Sender NBC sagte der Demokrat nun, er habe dazu noch keine Antwort von Trump erhalten.
Der Gouverneur sagte, er sei Beleidigungen von Trump gewohnt – wie „jeder Amtsträger, mit dem er nicht einer Meinung ist“. Newsom betonte aber: „Er ist ein gewählter Präsident. Ich respektiere sein Amt.“ Er arbeite eng mit dem noch amtierenden Präsidenten Joe Biden zusammen, um die Notlage zu bewältigen – dies würde er gerne mit dem nächsten Präsidenten fortsetzen. „Wir wollen im Sinne einer offenen Hand handeln, nicht im Sinne einer geballten Faust.“
Auch die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, bemühte sich, den Eindruck größerer Verwerfungen zwischen der örtlichen Führung und der künftigen Bundesregierung zu zerstreuen. Sie habe mit Vertretern von Trumps Mannschaft gesprochen. „Es war ein gutes Gespräch. Ich mache mir also keine Sorgen.“ Sie gehe auch davon aus, dass Trump LA besuchen werde.
Schulen öffnen wieder
Derweil öffnen fast alle Schulen im Großraum Los Angeles am Montag wieder. Die Bedingungen hätten sich in den meisten Gebieten verbessert, hieß es in einer Mitteilung von Sonntagabend. „Der Bezirk ist zuversichtlich, dass es für Schüler und Angestellte sicher ist, auf die Campusse zurückzukehren.“
Sieben Schulen blieben geschlossen, sagte der Leiter des Schulbezirks, Alberto Carvalho, Medienberichten zufolge auf einer Pressekonferenz. Vier davon seien durch das „Palisades Fire“ im westlichen Stadtteil Pacific Palisades zerstört worden. Drei weitere befänden sich noch in der Evakuierungszone.
Bei der Entscheidung seien unter anderem der Stand der Eindämmung der Feuer, die Luftqualität, Windverhältnisse und der Zustand der Straßen berücksichtigt worden. Der Montag werde jedoch kein normaler Tag sein, sagte Carvalho weiter. Die Schülerinnen und Schüler hätten ein Ausmaß der Zerstörung erlebt, „das in der Geschichte unserer Gemeinschaft beispiellos ist“.
Die staatlichen Universitäten University of California und California State University befinden sich eigenen Angaben zufolge im Notbetrieb und bieten Onlineunterricht an.
Unterstützung aus der Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bot den USA unterdessen Hilfe bei der Bekämpfung der Brände an. 150 Feuerwehrleute stünden bereit, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. An der Umsetzung des Hilfsangebots werde gearbeitet. Die USA sind der wichtigste Unterstützer der Ukraine im Kampf gegen die russische Aggression. Zugleich drohte die Republikanische Partei, die militärische Unterstützung der Ukraine zurückzufahren. In Los Angeles sind bereits Feuerwehrleute unter anderem aus Mexiko und Kanada im Einsatz.