Katastrophentourismus : „Die Polizei musste einige Touristen vom Damm runterholen“

Autos, die in überschwemmte Unterführungen fahren und Menschen, die auf Deiche klettern – solche Aktionen hat Landrat Martin Sailer im Landkreis Augsburg beobachtet. Der Katastrophentourismus erschwere die Arbeit der Einsatzkräfte, sagt er.
Ja, das ist leider ein Phänomen, mit dem wir uns ebenfalls auseinandersetzen müssen: Fahrradfahrer, die trotz Warnungen über überflutete Straßen fahren, Autofahrer, die in überschwemmten Unterführungen im Wasser stecken bleiben. Eine betrunkene Frau wollte abends eine überschwemmte Straße überqueren und konnte sich so gerade noch an einem Baum festklammern – von dem sie dann gerettet werden musste. Es gibt aber auch Personen, die auf Deichanlagen klettern.
Genau. Am Sonntag musste die Polizei einige Touristen vom Damm am Ortsrand von Nordendorf herunterholen. Etwa 15 Polizisten waren im Einsatz. Kurz darauf ist der Damm gebrochen.
Wir sehen beides. Personen, die aus „trockenen“ Regionen anreisen, um sich mal ein Hochwasser anzuschauen. Aber auch Bürger und Bürgerinnen aus betroffenen Gemeinden, die sich sehr leichtsinnig verhalten.

Für sie bedeutet es zusätzlichen Stress. Sie müssen ausrücken, um zu retten, wenn ein Alarm eingeht. Zum Beispiel eben zu Autofahrern, die in überflutete Unterführungen hineinfahren und dann nicht mehr weiterkommen. Da muss dann unter Umständen die Wasserrettung ran. Das bindet jedoch Kräfte, die woanders dringend gebraucht werden. Der Stress wirkt daher doppelt: Der eigentliche Einsatz stresst die Helfer, aber ebenso die Gewissheit, dass man vielleicht jetzt woanders fehlt – und zwar wegen einer Lage, die es nicht gäbe, wenn sich die Person vernünftig verhalten hätte. Ohnehin arbeiten alle Einsatzkräfte an ihren Belastungsgrenzen. Wir sind bislang gut durch diese Extremlage gekommen, und wir wollen unsere Kräfte nicht zusätzlich unnötigem Stress aussetzen. Doch das Verhalten dieser Personen führt genau dazu.
Zu den genauen Motiven kann man schwer etwas sagen. Manche handeln vielleicht aus Gedankenlosigkeit, manche aus Sensationslust. Man kann es aber nicht oft genug und nicht deutlich genug sagen: Viele unterschätzen die ungeheure Kraft des Wassers! Sie meinen, man käme zu Fuß, mit Fahrrädern und Autos da durch.
Man muss immer wieder an den gesunden Menschenverstand appellieren. Man muss darauf hinweisen, dass man sich selbst – und unter Umständen auch die Retter – in große Gefahr bringt, wenn man sich nicht an Anweisungen hält. Aber die Warnungen und Hinweise, dieses oder jenes nicht zu tun, kommen von Fachleuten, die die gefährliche Lage im Blick haben – und die Menschen schützen wollen.