Sankt-Lorenz-Strom :
Die stille Dramatik des Highway H2O

Von Volker Mehnert
Lesezeit: 9 Min.
Ein Fluss wie ein Meer: Die Schiffe auf dem Sankt-Lorenz-Strom würden auch einem Ozean zur Ehre gereichen.
Das gigantische maritime Eingangstor zu Nordamerika ist der Sankt-Lorenz-Strom. Doch an seinen Ufern zeigt er sich beschaulich – es sei denn, tollkühne Menschen kommen hier auf wahnwitzige Ideen.
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Geht’s hier nach China? Diese Frage stellten sich die französischen Entdecker um Jacques Cartier, die 1535 in den breiten Mündungstrichter des Sankt-Lorenz-Stroms hineinsegelten und auf eine Meerespassage in Richtung Orient hofften. Spätestens vor den gewaltigen Stromschnellen beim heutigen Montreal war der Traum jedoch vorbei; dort ging es für die Segelschiffe nicht mehr weiter. „La Chine“ nannte ein Spötter daraufhin diese turbulente Passage, und der Name hat sich bis heute gehalten: les Chutes de Lachine. Das gefährliche Hindernis freilich führte später zu einer urbanen Erfolgsgeschichte. Montréal entwickelte sich zunächst zur Drehscheibe des Pelzhandels und dann zum Bindeglied zwischen Atlantischem Ozean und nordamerikanischem Kontinent. Statt mit Segelschiffen nach China ging es anfangs mit Kanus Tausende Kilometer hinein ins unerforschte Hinterland. Das Schleusensystem des Saint Lawrence Seaway sorgt seit 1959 dafür, dass sogar Hochseeschiffe vom Atlantik aus bis zu dreitausendsiebenhundert Kilometer ins Landesinnere vordringen können. „Highway H2O“ ist die prägnante Kurzform für diese weltweit einzigartige Wasserstraße.

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