Weinlese an der Bergstraße : Viele Weine, wenige Königinnen

Auch in Deutschlands kleinstem Weinanbaugebiet ist die Lese abgeschlossen. Doch ein paar Trauben hängen noch. Denn die Winzer von der Hessischen Bergstraße hoffen darauf, dass es in den nächsten Wochen wenigstens einmal so knackig kalt wird, dass sie einen 2022er Eiswein herstellen können. Dabei setzen die in der Bergsträsser Winzer eG zusammengeschlossenen gut 350 Weinbaubetriebe auf wenige ausgewählte Standorte, etwa in kälteren Mulden, und auf Neuzüchtungen wie den Souvignier Gris, der zu den kurz „Piwi“ genannten pilzwiderstandsfähigen Rebsorten gehört.
2021 sei es erst kurz vor Weihnachten kalt genug gewesen, nämlich mindestens minus sieben Grad Celsius, um die Spezialität aus den Wingerten zu holen, erinnert sich Thomas Schmitt, der neue Kellermeister der in Heppenheim an der Bergstraße beheimateten Genossenschaft. Weil die Hauptlese immer früher beginne, knackig kalte Frostnächte aber oft lange auf sich warten ließen, sei es schwieriger, überhaupt Eiswein zu produzieren, sagte Schmitt am Donnerstag. Die Ernte der Genossenschaft entspreche mit durchschnittlich 78 Hektoliter je Hektar ziemlich genau dem Vorjahresertrag. Hochgerechnet auf das gesamte Anbaugebiet, das zwischen Rhein, Main und Neckar über rund 450 Hektar bestockter Rebfläche verfügt, dürften somit abermals wieder mehr als 30 000 Hektoliter Weinmost zusammengekommen sein.
Trotz der Wetterextreme, wie dem langen Dürresommer, sprechen sie an der Bergstraße von einem „guten Weinjahr“ und einem durchschnittlichen Mostgewicht von 84,5 Qechsle. Zu dem von Steillagen geprägten Anbaugebiet entlang der alten Römerstraße „Strata Montana“ gehören die Region Starkenburg südlich von Darmstadt und die „Odenwälder Weininsel“ bei Groß-Umstadt.
Ihre Majestät trägt die Krone ein weiteres Jahr
Prägend ist der Riesling, der meist 40 Prozent der Ernte ausmacht; gefolgt von Grau- und Spätburgunder, die jeweils auf einen Anteil von rund zwölf Prozent kommen. Kleine Parzellen, häufig noch von Nebenerwerbswinzern bewirtschaftet, geben dem Landstrich seinen eigenen Charakter. Und der Umstand, dass zwischen Zwingenberg und Heppenheim, die durch einen Weinlagenwanderweg verbunden sind, ganz unterschiedliche Böden existieren, beschert dem Wein seinen typischen Bergsträßer-Geschmack.
Nicht viel Auswahl bestand dagegen zuletzt bei der Wahl einer Weinkönigin, die zwingend aus einer Weinbau-Familie stammen muss. Weil alle potentiellen Bewerberinnen das Ehrenamt aber gerade nicht so gut mit der Lebensplanung vereinbaren konnten, hat sich die bisherige Majestät, Weinkönigin Stefanie I., bereit erklärt, die Krone noch ein Jahr länger zu tragen.