Nächste Tennis-Generation :
Achtung, Schlägertypen!

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Mann der Zukunft: Arthur Fils
Die Tennis-Teenager drängen mit geballter Kraft nach vorne. Bei den Australian Open lassen gleich mehrere von ihnen erstmals aufhorchen. Ihre sprunghafte Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die ältere Generation.
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Alle Jahresenden wieder wecken acht junge Tennisspieler große Phantasien. Sie treffen sich jeweils beim Abschlussturnier der besten Jungprofis und zeigen dort, ob sie stark genug sein könnten, um künftig mit Top-Ten-Spielern oder Grand-Slam-Champions mithalten zu können oder selbst zu solchen zu werden. Früher oder später gelingt den meisten so ein Durchbruch. Jannik Sinner und Carlos Alcaraz, die die sogenannten Next Gen ATP Finals in den Jahren 2019 und 2021 gewannen, haben den Übergang vom Grünschnabel zum Gewinnertypen besonders zügig bewältigt.

Wenn die Eindrücke dieser Australian Open nicht trügen, dann erwachsen dem erst 23 Jahre alten Südtiroler und dem noch zwei Jahre jüngeren Spanier eine Reihe von Konkurrenten, die ihnen die Titeljagd in den kommenden Jahren schrecklich erschweren könnten. „Je mehr sie an Erfahrung gewinnen, desto gefährlicher werden sie“, sagte Alcaraz am Freitag nach seinem Achtelfinaleinzug – und fing danach an, über sich selbst zu lachen: „Ich rede schon wie ein Dreißigjähriger. Dabei bin ich doch nur zwei Jahre älter als sie.“ Mit einem Titelgewinn in Melbourne würde Alcaraz zum jüngsten Spieler in der Tennisgeschichte, der alle vier Grand-Slam-Turniere gewonnen hat.

Learner Tien schlug in Melbourne den russischen Top-Ten-Spieler Daniil Medwedew.
Learner Tien schlug in Melbourne den russischen Top-Ten-Spieler Daniil Medwedew.AFP

Von den acht unter Zwanzigjährigen, die in der Woche vor Weihnachten im saudi-arabischen Dschidda angetreten waren, schafften es drei Wochen später sieben ins Hauptfeld des ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres. Und alle hinterließen in Melbourne einen sehr frühreifen Eindruck. Der Brasilianer Joao Fonseca und der US-Amerikaner Learner Tien, die sich kürzlich noch im Next-Gen-Finale gegenüberstanden, warfen ebenso wie der tschechische Teenager Jakub Mensik einen langjährigen Top-Ten-Spieler aus dem Turnier. Zudem brachte ihr amerikanischer Kumpel Nishesh Basavareddy den Grand-Slam-Rekordsieger Novak Djokovic vorübergehend ins Straucheln.

Jakub Mensik besiegte Casper Ruud, zahlte in der dritten Runde aber Lehrgeld.
Jakub Mensik besiegte Casper Ruud, zahlte in der dritten Runde aber Lehrgeld.Reuters

Der Serbe zeigte sich von den Auftritten der jungen Aufsässigen dermaßen beeindruckt, dass er sich des neuesten Bonmots eines Kollegen bediente: „Um mit den weisen Worten von Herrn Daniil Medwedew zu sprechen: Wenn die künftige Generation so weiterspielt, dann wird sie alles haben können: Geld, Mädchen, Casino.“ Kurz nach seinem Spruch schied Medwedew in der zweiten Runde aus – gegen Learner Tien. Mit 19 Jahren und 55 Tagen ist Tien, der es am Samstagmorgen mit dem Franzosen Corentin Moutet zu tun bekommt, der zweitjüngste US-Boy nach Pete Sampras 1990, der in der dritten Australian-Open-Runde steht.

Die Dauerduelle der Zukunft?

Nachdem es in der Ära von Federer, Nadal und Djokovic zwanzig Jahre lang kaum etwas für junge Spieler zu holen gab, deutet vieles darauf hin, dass die Jahrgänge 2004 bis 2006 schnell und mit geballter Kraft nach vorne drängen. Vier von ihnen haben es schon unter die besten 50 der Welt geschafft: Arthur Fils, der am Freitag verletzt gegen seinen Landsmann Ugo Humbert aufgeben musste; Jakub Mensik, der in seinem Drittrundenmatch gegen den Spanier Alejandro Davidovich Fokina zwei Matchbälle nicht nutzen konnte, sowie der Chinese Juncheng Shang und der US-Amerikaner Alex Michelsen. Er rechne damit, in den nächsten zehn Jahren oft gegen die gleichaltrigen Rivalen um Titel zu spielen, sagte Michelsen, der mit seinem Kumpel Tien in Kalifornien trainiert und zu Höchstleistungen anstachelt.

João Fonseca: Er scheint vor keiner Situation Angst zu haben.
João Fonseca: Er scheint vor keiner Situation Angst zu haben.EPA

So sehr sie sich in ihren Spielweisen unterscheiden, in puncto Mentalität sind die Tennisteenager von heute aus dem selben Holz wie Tien geschnitzt: Er nehme jedes Match, wie es kommt, und „betrete den Platz immer im Glauben, in jedem Spiel eine Chance zu haben“. Zudem hätten ihn die Melbourner Erfolge von Fonseca (gegen Andrej Rubljow) und Mensik (gegen Casper Ruud) inspiriert: „Ihre Siege zu erleben, hat mich im Glauben bestärkt, dass es ,möglich ist“, sagte Tien, der bei den Australian Open die ersten beiden Fünfsatzmatches seines Leben spielte – und gewann.

„Mini-Sinner“ Fonseca

Der US-Youngster mit vietnamesischen Wurzeln macht seine im Vergleich überschaubare Körpergröße von 1,80 Meter mit Übersicht und feinem Händchen wett. Mensik dagegen vereint – mehr als die anderen – bei allen Schlagarten Power und Präzision. Und der 18 Jahre alte Fonseca, der als Jüngster die größten Hoffnungen weckt, verfügt über eine immens schnelle Vorhand, einen vielseitigen Aufschlag und die Gabe, in entscheidenden Situationen zulegen zu können. Als „Mini-Sinner“ bezeichnet Michelsen, der es in der Nacht zum Samstag mit dem Russen Karen Chatschanow zu tun bekommt, den Brasilianer.

Die sprunghafte Entwicklung der Teenager stellt für die Generation von Alexander Zverev eine ungeahnte Herausforderung dar. Gerade war sie dabei, Mittel und Wege zu finden, um der Übermacht von Sinner und Alcaraz zu trotzen, da nähern sich neue Schlägertypen von hinten. „Power hat die Macht übernommen“, sagte Stefanos Tsitsipas, der 2018 die Next-Gen-Finals gewann und in Melbourne an Michelsen scheiterte, etwas zerknirscht. Er sei früher auch mit Wucht auf der Bühne erschienen, sagte der Grieche, aber er habe nie „die extremste Version meiner selbst übertreffen“ müssen. Für viele liefern die Australian Open 2025 eine schöne Verheißung, für andere wie Tsitsipas eine schlimme Vorahnung.

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