Formel-1-Kommentar : Die Unsterblichen
„Bernie wird uns alle überleben.“ Das war der erste Kommentar eines gut fünfzigjährigen Formel-1-Insiders vom Dienstag, just nachdem die Nachricht von einem nahen Ende des Ecclestone-Prozesses die Runde machte. Dieser kleine, zähe, blitzgescheite Brite strahlt mit 83 Jahren soviel Lebendigkeit aus, dass selbst seine schärfsten Kritiker langsam an die Unsterblichkeit des Zampanos zu glauben beginnen. Nicht totzukriegen der Mann. Das Verfahren in München rund um den Verdacht, Ecclestone habe den verurteilten Banker Gribkowsky bestochen und zur Untreue angestiftet, um Boss der PS-Maschinerie bleiben zu können, macht Ecclestone jedenfalls nicht den Garaus. Die Staatsanwaltschaft ist einer Einstellung des Verfahrens gegen eine hohe Geldzahlung nicht abgeneigt.
Ecclestone kehrt gestärkt zurück in seinen virtuellen Kommandostand. Denn die Mitglieder seiner Interessengemeinschaft, vor allem Ferrari und Red Bull, werden das zu erwartende Ergebnis wie einen Freispruch feiern und die bislang in der Deckung gebliebenen Gegner keine Anstalten machen, nachzuhaken. Dafür ist die Angst vor der Rache des Chefs mit Elefantengedächtnis, der sich offenbar aus jeder Zwangslage zu befreien weiß, noch immer zu groß. Ecclestone bleibt im Rennen. Wer nun glaubt, damit rase die Formel 1 in die Altersstarre, dem wird Ecclestone das Gegenteil beweisen wollen.
Am Samstag schon hat er kurz vor dem (spektakulären) Grand Prix vor den Toren von Budapest ein paar Teamchefs versammelt und ihnen angesichts der sinkenden Zuschauerzahlen einen Ideen-Gipfel angekündigt. Weil er aber der Kreativität seiner Rennstallbosse misstraut, wird Ecclestone einen Meister der Lebenskunst als Berater vorstellen, einen Unterhaltungsexperten, der seinem Zirkus Beine machen soll: Flavio Briatore.
Briatore soll die Serie retten
Briatore? Das ist der ehemalige Teamchef von Benetton und Renault, ein alter Kamerad von gleichem Schlag. Deshalb ist auch der Kontakt nie abgerissen. Bei Bernie war Briatore immer gerne gesehen. Obwohl ihn der Internationalen Automobilverband 2009 lebenslänglich aussperren wollte. Briatore verringerte die Strafe per Klage auf fünf Jahre. Nun soll er sich, mit 64 Jahren, an der Rettung der um ihre jugendlichen Fans fürchtenden Formel 1 beteiligen.
An ausgefallenen Ideen, eine Schau zu inszenieren, wird es ihm nicht mangeln. 2008 ließ er seinen Piloten Piquet jr. in Singapur nach Absprache in die Mauer krachen, um Fernando Alonso zum Sieg zu verhelfen. Aber ja, jeder hat eine zweite Chance verdient. Doch wenn der Formel 1 nichts Besseres einfällt, dann ruht ihre Zukunft auf den Schultern eines Greisen und eines ungenierten Betrügers.