Formel 1 in Spielberg: Wer kann an Max Verstappen und Red Bull vorbeiziehen?

Zehn Rennen, sieben Siege, 69 Punkte Vorsprung in der Fahrerwertung: Max Verstappen schaut fröhlich aus beim Blick zurück auf den jüngsten Sieg in Barcelona, auf den Triumph zwei Wochen zuvor in Kanada. Dann weicht das Lächeln ernsten Zügen. Der Formel-1-Weltmeister relativiert seine blendende Statistik in dieser Formel-1-Saison: „Ich könnte auch sagen, wir haben gewonnen, alles gut – aber so sehe ich das natürlich nicht“, berichtet er am Donnerstag im Fahrerlager des Red-Bull-Rings in der Steiermark: „Im Moment ist es für uns alles etwas schwieriger, da müssen wir ehrlich sein.“ Verstappen liebt den Zweikampf Rad an Rad. Noch ein bisschen mehr aber das schöne Gefühl im Cockpit, spielen zu können mit seinem Boliden. Wenn sich der RB20 mit Lust und Laune über die Randsteine jagen, wenn sich der geringere Reifenverschleiß auskosten lässt wie im vergangenen Jahr, als Verstappen mit allem spielte, auch mit seinen Gegnern. „Dinge können nicht über Nacht gelöst werden“ Siegertypen wie der Niederländer sind erst zufrieden, wenn sie dominieren. In diesen Tagen, kurz vor dem Renn-Wochenende in der Steiermark mit dem Sprint (Samstag, 12.00 Uhr) und dem Grand Prix (Sonntag, 15.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Formel 1 und bei Sky), ist Verstappen unzufrieden. „Es ist klar, dass uns ein paar Dinge fehlen. (...) Daran müssen wir arbeiten. Die Fahrbarkeit des Autos und die Balance“, sagt der Champion. Das weiß die Konkurrenz längst. Der Nachsatz lässt sie wohl aufhorchen: „Aber diese Dinge können nicht über Nacht gelöst werden.“ Red Bull unter Druck. Das ist vor dem elften von 24 Grands Prix keine Neuigkeit mehr, jüngste Siege hin oder her. Auch die Behauptung, das beste Auto dieser WM-Phase trage den Namen McLaren, setzte sich inzwischen durch. Seit dem Rennen in Miami, wo Lando Norris gewann, gilt der MCL38 als das Maß der Dinge. Auf jedem Streckentyp bestens zu gebrauchen. Verstappen tritt als Zeuge auf, obwohl er bislang keinen Zentimeter im neuen „Führungsfahrzeug“ fuhr. „Bessere Balance“, „starke Vorderachse“, ein Attackier-Modell in Kurven, „ohne dass die Reifen überhitzen“. Laut Liste müsste der Vorsprung enorm sein. Es sind Nuancen. Alle hetzen ihn Norris startete von der Pole-Position in Barcelona, weil er um einen Hauch schneller fuhr: 0,02 Sekunden. Er verschenkte den Vorteil tags drauf beim Start. Solche Präsente nimmt Verstappen mit Kusshand. Er, sein Team, brauchen sie inzwischen, um sich, vor der Jagdgemeinde gehetzt, ins Ziel retten zu können. McLaren ist nur der erste unter den aussichtsreichen Verfolgern. Mercedes scheint auf dem Sprung zurück an die Spitze, Ferrari rechnet in Österreich mit einer besseren Wirkung seines in Spanien eher wirkungslosen Tunings. Der Trend spricht für ein Überholmanöver vorbei an Red Bull auf der Heimstrecke des österreichischen Rennstalls. Allerdings eint die Verfolger eine Schwäche: Sie leisten sich mehr kleinere Fehler als die Weltmeister. Norris kreidet sich seinen Start an, das Team längere Boxenstopps, Mercedes ließ bei der Strategie Optimierungsbedarf erkennen, Ferrari wirkte trotz neuer Teile gebremst, die Piloten zerstritten. Norris spricht von „winzigen Kleinigkeiten. Vieles war auf dem Niveau, das wir brauchen, damit wir einige Rennen gewinnen können.“ Wenn nicht alle gemeinsam gegen Verstappen anträten: „Gegen einen der besten Fahrer der Geschichte, gegen eines der leistungsstärksten Teams.“ Verstappens Bekenntnis Was Norris gemeint haben könnte? Das Selbstverständnis von Verstappen und seiner Mannschaft, ihr tiefes Vertrauen, alles richtig zu machen. Red Bull gewann im vergangenen Jahr 22 der 23 Rennen, Verstappen 19. Die Quote in diesem Jahr ist nicht viel schlechter. Aber die Gefahr, diesen Vorsprung im Kopf zu verlieren, wächst mit dem Glücksgefühl bei McLaren, den lange verschütteten Glauben an die eigene Kraft wiederzuentdecken. Der letzte Konstrukteurstitel der berühmten Formel-1-Schmiede liegt 26 Jahre zurück. McLaren, Mercedes und Ferrari spüren seit Wochen, am Zug zu sein, Red Bull in Fehler treiben zu können, wenn sie selbst nicht den kleinsten mache: „Nur eines lief nicht perfekt (in Barcelona/d.Red.)“, sagte Norris, „das war’s.“ Verstappen sieht die Bedrohung und reagiert öffentlich. Seine Bestätigung vom Donnerstag, auch 2025 für Red Bull fahren zu wollen, dient der Bündelung der Kräfte. Er will keine Unruhe im Team schüren angesichts der offensiven Werbung von Mercedes. Dem folgte der Hilferuf nach innen, weil er mehr zu leisten hat, als möglich ist: „Wir müssen sicherstellen, dass wir das Auto besser machen. Dann müsste ich nicht jedes Mal 101 Prozent fahren.“