Lamine Yamal und Nico Williams sind Spaniens neue Helden bei EM-Triumph

Es dauerte ein wenig, bis der Colón-Platz in Stimmung kam. Der Madrider Bürgermeister war knausrig gewesen, und der Großbildschirm im Herzen von Madrid war klein ausgefallen. Für viele versperrte die Kolumbus-Statue den Blick auf das Spielfeld beim EM-Finale zwischen Spanien und England. In die Nationalflaggen gehüllt, wirkten die meisten aber gelassen und schon in Feierstimmung – abgesehen von der Schrecksekunde, als England ausglich. Der erleichterte Jubel am Beginn des Castellana-Boulevards und unten am Manzanares-Fluss, wo der zweite Großbildschirm stand, war groß. Hupende Autokorsos machten sich auf den Weg, ein paar Raketen stiegen auf, es wurde ausgelassen gefeiert. Aber der spanischen Hauptstadt, die am Montag die Nationalmannschaft am Cibeles-Brunnen empfangen wird, war anzumerken, dass viele ihrer Einwohner schon am Strand sind. Lange vor dem Abpfiff stand für viele fest, wer ihr Favorit ist: Nicht nur im Herzen Madrids hatten am Sonntagabend die meisten das rote Trikot mit der Nummer 19 übergestreift. Lamine Yamal war ihr Held des Turniers, auch wenn der Siebzehnjährige dieses Mal nur die Vorarbeit zum ersten Tor leistete, das Nico Williams schoss. „In den Händen von Lamine und Nico“, stand schon am Sonntagmorgen über einem großen Foto der beiden Jungstars auf der Titelseite der Zeitung „La Vanguardia“. In den vergangenen Tagen hatte Spanien noch über die Aufnahme von 6000 minderjährigen Migranten gestritten, die auf den Kanaren gestrandet sind. Am Sonntag dominierte der Stolz auf die beiden Spieler, deren Eltern aus Afrika kommen; die Eltern von Nico Williams hatten die Sahara durchquert. In Madrid brauchten die meist jüngeren Fans, die sich mit Plastiktüten voller Bierdosen auf eine lange Nacht vorbereitet hatten, am Kolumbus-Platz den DJ nicht, um in Stimmung zu kommen. Immer wieder stimmten sie das Lied an: „Lamine Yamal, jeden Tag liebe ich dich mehr“. Mit 46 Prozent ist Lamine Yamal laut einer Umfrage der Zeitung „El País“ der Lieblingsspieler der Spanier, an zweiter Stelle folgt mit knapp 24 Prozent Nico Williams. Achtzig Prozent sind der Ansicht, dass die multikulturelle Gesellschaft ihre Nationalmannschaft besser gemacht hat. „Ganz Spanien ist stolz auf Euch“, schrieb König Felipe VI. auf der Onlineplattform X. Nicht mit Kronprinzessin Leonor, sondern mit ihrer jüngeren Schwester Sofía war er zum Finale in Berlin gereist. Überall in Spanien waren Großbildschirme aufgestellt. In Pamplona machte das Finale der traditionellen Abschlussfeier der „Fiestas de San Fermín“ Konkurrenz – normalerweise ist dort immer Nico Williams dabei, der in der Stadt geboren wurde. Sogar auf der Plaza de Catalunya im Herzen von Barcelona fieberten die Fans mit. Zum ersten Mal seit 2010 hatte die Stadtverwaltung dort wieder eine große Leinwand aufgestellt. Im vergangenen Jahrzehnt wollten katalanische Unabhängigkeitsbefürworter die spanische Nationalmannschaft und die spanische Flagge dort nicht sehen. Zum Großbildschirm im Arbeitervorort Rocafonda, aus dem Lamine Yamal stammt, kamen Tausende – mehr als ins Zentrum von Barcelona. Seine Familie, auch die Verwandten aus Marokko, waren in Berlin. Nur seine 73 Jahre alte Großmutter wollte in Rocafonda auf ihn warten, das ihr Enkel nie vergessen hat. Hat er Erfolg, macht er mit seinen Händen eine Geste, die die Zahl „304“ ausdrückt, die letzten Ziffern der Postleitzahl seines Viertels Rocafonda in Mataró (08304).