Meister Leverkusen stolpert :
Am Ende reicht auch die Wirtz-„Weltklasse“ nicht

Von Christian Kamp, Leipzig
Lesezeit: 4 Min.
Gepatzt: Florian Wirtz und Leverkusen lassen in Leipzig Punkte liegen.
Florian Wirtz spielt in Leipzig groß auf, doch Bayer Leverkusen gibt eine Zwei-Tore-Führung aus der Hand. Ein spätes Missgeschick verhindert den Sieg – ein Rückschlag im Kampf um die Meisterschaft.
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Es war nur ein kleiner Satz für Aleksander Ceferin, aber ein bemerkenswerter Sprung in der Unternehmensgeschichte von RB Leipzig. Als der Präsident der Europäischen Fußball-Union (UEFA) am Freitagabend, bei der DFB-Geburtstagsgala, von den großen deutschen Klubs schwärmte, nannte er auch die beiden, die er tags darauf besuchen wollte. Weil er dabei aber „Red Bull Leipzig“ sagte, dürfte bei der Deutschen Fußball Liga mancher erschrocken sein angesichts dieser bekanntlich unzulässigen Vermischung von Sport und Geschäft. Nun, am Samstag, als Ceferin Platz genommen hatte, saß er zwar in der Red Bull Arena, neben Oliver Mintzlaff, dem Geschäftsführer der Red Bull GmbH, aber als die Klubhymne durch die Lautsprecher dröhnte, hieß es ordnungsgemäß „Rasenball olé“. Gespielt wurde dieser gegen eine Mannschaft, die sich Werkself nennt – der deutsche Fußball, das konnte Ceferin mitnehmen, kann kompliziert sein.

Was er außerdem mitnehmen konnte: Das Erlebnis eines mitreißenden und heißblütigen Spiels – viel bessere Unterhaltung als dieses 2:2 zwischen RB Leipzig und Bayer Leverkusen kann die Bundesliga kaum bieten. Was wiederum viel mit Florian Wirtz zu tun hatte, der auf bestem Weg schien, einmal mehr der Unterschiedmacher zu sein. Dass Bayer 2:0 in Führung ging, war in großen Teilen sein Werk, auch wenn Patrik Schick (18. Minute) und Aleix Garcia (36.) die Tore erzielten. Am Ende verließ Wirtz den Platz aber als Enttäuschter, weil David Raum (41.) und Edmond Tapsoba mit einem Eigentor (85.) noch für zwei Leipziger Treffer gesorgt hatten.

Es war der erste Leverkusener Punktverlust nach einer Serie von acht gewonnenen Ligaspielen, der Rückstand auf die Bayern wuchs damit von vier auf sechs Punkte. Verdient aus Leipziger Sicht war das Remis aber allemal, RB investierte über das ganze Spiel mehr und erzwang den Punktgewinn mit viel Moral. Bayer muss sich vorwerfen lassen, dass es mit den Möglichkeiten, die Partie endgültig zu entscheiden, zu unpräzise umging, auch wenn einmal – natürlich war Wirtz im Spiel – nur Zentimeter fehlten. Am Ende zogen beide Trainer, Xabi Alonso und Marco Rose, ein wortgleiches Fazit: „Das Ergebnis könnte besser sein.“

Da nahm das Spektakel Fahrt auf

Achtzehn Minuten waren gespielt, als das Spektakel Fahrt aufnahm. Wirtz und Willi Orban, der Leipziger Kapitän, gerieten an der Bande aneinander. Wie zwei Stiere standen sie sich gegenüber, Stirn an Stirn, und Schiedsrichter Bastian Dankert musste ein ziemlich ernstes Wort reden. Nur Augenblicke später setzte Wirtz das Duell auf seine Art fort. Mit atemraubendem Bewegungsspiel versetzte er Orban, ließ danach Vermeeren ins Leere rutschen, und dass der Schuss mit dem Außenrist den Pfosten traf, störte diesen unwiderstehlichen Fluss nur für einen kurzen Augenblick, weil Schick genau richtig stand, um sein 13. Saisontor zu erzielen. Nach einer knappen halben Stunde nahm Wirtz abermals von der linken Seite Maß, diesmal brachte Torwart Gulacsi noch die Fingerspitzen an den Ball. Sein Trainer Alonso sprach später von „vier, fünf, Top-Top-Weltklasse-Aktionen“, die Wirtz gezeigt habe.

Vor dem 0:2 war es – genau – Wirtz, der an der rechten Außenlinie als Sieger aus dem Duell mit Raum hervorging, es wurde ein Fall für den Videoassistenten, weil es bei der Absetzbewegung Stollenkontakt gab mit der Wade seines Nationalmannschaftskollegen. Raum blieb eine ganze Weile mit Schmerzensgesten liegen, doch Dankert ließ das Folgegeschehen gelten, und das hieß: einfacher Querpass Wirtz, einfacher Schieber Aleix Garcia, 0:2. RB-Coach Rose schloss sich zwar keinesfalls der Schiedsrichterentscheidung, wohl aber den Komplimenten an Wirtz an und sprach davon, wie froh Deutschland über diesen Spieler sein könne.

Auch andere Prominenz war über Nacht in Leipzig geblieben, allen voran die Abordnung des Deutschen Fußball-Bundes mit Präsident Bern Neuendorf, Bundestrainer Julian Nagelsmann und Sportdirektor Rudi Völler. Was sie sahen, dürfte ihnen aber nicht nur wegen Wirtz gefallen haben. Auf Leipziger Seite tat sich durchgängig Raum hervor, der die vergangenen Länderspiele verletzt verpasst hatte, nun aber diesem Spiel seinen Stempel aufdrückte: mit einem Energielevel im maximalen Bereich, einigen messerscharfen Flanken von der linken Seite – und noch vor der Pause einem (leicht abgefälschten) Freistoß, der von der Unterkante der Latte hinter die Linie prallte.

Nach der Pause standen Wirtz und Raum gleich wieder im Fokus. Nach einem fahrlässigen Leipziger Pass nahm der Leverkusener abermals Fahrt auf, diesmal legte er auf Palacios ab, dessen Schuss wurde von Raums Stirn auf dem Weg ins Netz gehindert. Die Zentren waren nun neu besetzt, bei Bayer war Andrich in der Kabine geblieben, bei RB verletzte sich Kampl ohne Gegnereinwirkung, die Kräfteverhältnisse verschoben sich immer weiter zu Leipzigs Gunsten.

RB machte Druck, Leverkusen lauerte auf den genialen Moment. In der 64. Minute war es beinahe so weit, doch Wirtz traf zum zweiten Mal an diesem Abend den Pfosten. Es war nicht die einzige Kontergelegenheit, doch man spürte von Minute zu Minute mehr, dass Leipzig hier unbedingt noch etwas holen wollte. In der 71. Minute verhinderte eine sehenswerte Fußabwehr von Bayer-Torwart Hradecky bei einem Schuss von Sesko noch den Ausgleich. Fünf Minuten vor Schluss schlug Xavi einen Freistoß in den Leverkusener Strafraum, den Tapsoba mit dem Kopf ins eigene Tor lenkte. Eine Antwort hatte nun auch Wirtz nicht mehr.

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