Verletzung von Lena Oberdorf sorgt für Olympia-Sorgen bei DFB

Horst Hrubesch hat dank seines gelassenen Charakters viele aufregende Situationen zunächst als Spieler und danach über fast vier Jahrzehnte als Trainer zweckdienlich und gewinnbringend zu lösen verstanden. In der Ruhe liegt für den Hamburger im wahrsten Sinne des Wortes ein Teil seiner Kraft, die er heute aufwendet, um mit dem Frauenteam des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ein letztes großes Abenteuer mit Zuversicht antreten zu können. Für ihn handelt es sich bei dem Sport, der wie nichts anderes sein Leben bestimmt, um ein bei aller Komplexität „einfaches Spiel“, dessen Quintessenz er in einem Satz zu formulieren vermag: „Du musst nur mehr Tore schießen und keine zulassen.“ So gesehen, war der Ausgang des gewittrigen Sommertags in Hannover vor 43.953 Zuschauern, die einen 4:0-Sieg gegen Österreich zum gelungenen Abschluss der Qualifikationsphase für die Europameisterschaft 2025 sahen, ein achtbarer Erfolg. Unerfreulicher Zwischenfall Doch das Mutmacher-Ergebnis war bei weitem nicht alles, was Hrubesch zu vorgerückter Stunde beschäftigte. Neben der Würdigung vieler ihn zufriedenstellender Fakten kam er nicht umhin, einen unerfreulichen Zwischenfall zu erörtern, dessen Tragweite sich dann rund 20 Stunden später am frühen Mittwochabend endgültig erschloss – und der ihn bei aller Abgeklärtheit erheblich zu schaffen machte, weil er seine Vorbereitungen auf die sich unmittelbar anschließenden Olympischen Spiele erheblich beschwert, die als krönender Abschluss seines letzten Einsatzes als Trainers gedacht sind: Mit Lena Oberdorf verletzte sich bei der Generalprobe ausgerechnet jene Vorkämpferin aus dem Kreis der Nationalspielerinnen schwer, die aufgrund ihres Talents, der Einstellung und des Energieniveaus als unentbehrlich gilt. Sie erlitt, wie tags darauf um 18 Uhr nach einer Untersuchung in München bekanntgegeben wurde, eine Kreuz- und Innenbandblessur. Damit fällt sie für die Olympischen Spiele aus. Hrubesch, der in Hannover noch gesagt hatte, dass er „beten“ werde, dass der 22-Jährigen trotz des ersten Anscheins, der etwas anderes nahelegte, „nichts Gravierendes passiert ist“, reagierte betroffen auf das Bulletin: „Diese Nachricht tut weh! Unsere schlimmste Befürchtung ist eingetreten. Wir alle denken an Obi und fühlen mit ihr“, sagte er und fügte an: „Wir werden nun einmal mehr alle Kräfte für die Olympischen Spiele bündeln. Wir wollen und werden auch für Obi um die Medaille spielen.“ Wer für sie nachnominiert wird, will der Verband im Laufe der Woche verkünden. Lena Oberdorf, die als Mittelfeldstrategin beim VfL Wolfsburg zu einer begehrten Größe reifte und in der kommenden Saison das Trikot des FC Bayern tragen wird, war in der 69. Minute bei einem Duell um den Ball mit der Österreicherin Barbara Dunst zu Boden gegangen; ihre Schreie kündeten davon, dass es sie gravierender erwischt haben könnte. Kathrin Hendrich, die als Verteidigerin aus wenigen Meter Entfernung die Szene verfolgte, sagte später, es habe „nicht gut ausgesehen“, wie Oberdorf reagierte, als sie spürte, dass das Knie ihres rechten Beins in Mitleidenschaft gezogen worden war. Giulia Gwinn, die zuletzt wegen der Folgen eines zweiten Kreuzbandrisses die Teilnahme an der WM in Australien verpasst hatte, sprach davon, dass „das Ereignis“ den Abend „überschattet“ habe. „Freude kommt gerade nicht ganz so auf.“ Lena Oberdorf spielte in Hrubeschs Konzept aufgrund ihrer Handlungsschnelligkeit und dem unermüdlichen Willen, Gefahr vom eigenen Strafraum fernzuhalten und im Umschaltspiel Vorstöße schnell einzuleiten, eine Schlüsselrolle, die sie, solange sie konnte, gegen Österreich par excellence ausfüllte. Die Tore schossen Klara Bühl (11., 90.+2. Minute), Jule Brand (39.) und Lea Schüller (53.), wobei die gerade von Lena Oberdorf verkörperte Bereitschaft, immer auch „die Wege nach hinten zu gehen“, wie es Kathrin Hendrich betonte, die Grundlage zum stringenten Auftreten legte. „Wir haben ein komplett anderes Gesicht gezeigt“, sagte die Wolfsburgerin unter Verweis auf das vorangegangene 0:3 in Island. Die 32-Jährige war 2016 beim Gold-Gewinn in Rio dabei und geht jetzt nicht minder ambitioniert an die bevorstehende Herausforderung ran: „Wenn wir bei mindestens 100 Prozent sind, hat man gesehen, was möglich ist“, bilanzierte Hendrich. Bei Hrubesch klang es, vor dem Oberdorf-Aus, ähnlich. Er sah seine Gruppe gegen die Olympia-Vorrundengegner – Australien, USA und Sambia – vielversprechend aufgestellt, „denn die Mannschaft funktioniert“. Sie sei in der Lage, sowohl „mitzuhalten“ wie unter Druck „dagegenzuhalten“, lautete Hrubeschs Einschätzung. „Am Ende des Tages wird es darauf ankommen, ob die Spielerinnen bereit sind, den letzten Schritt zu gehen“, fasste er zusammen. Lena Oberdorf saß da in einem Nebenraum mit verweinten Augen. Sie dürfte vor allem froh sein, wenn sie alsbald einen ersten, wieder schmerzfreien Schritt wird machen können.