Kommentar :
Niemand ist aus Eisen

Ein Kommentar von Evi Simeoni
Lesezeit: 2 Min.
Bei den Spielen von London krachte ihm die Hantel auf den Rücken
Matthias Steiner ist der populärste Gewichtheber, den es hierzulande je gab. Sein Sport hat mit seinem Rücktritt keinen Star mehr. Ohne Drama ging es bei Steiner nie. Nun wird für ihn vieles leichter werden.
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Für Matthias Steiner wird nun vieles leichter werden. Zumindest, wenn es ums Eisenstemmen geht. Und auch er selbst wird an Gewicht verlieren. Ungefähr 35 Kilo will er loswerden, das hat er sich schon lange vor seinem Karriere-Ende immer vorgestellt. Ein bisschen mehr als 100 Kilogramm nur noch statt 147 - und ganz ohne Bauch.

Auch denen, die Steiners Gewichtheber-Karriere verfolgt haben, fällt eine Last vom Herzen. Vielleicht hätte er körperlich ja sogar noch ein, zwei Jahre im Leistungssport überstanden. Aber unsere Nerven? Das wäre kritisch geworden. Er hat dem deutschen Publikum - und den Anhängern in seiner österreichischen Heimat - ja alles abverlangt. Sie haben mit ihm geweint und gejubelt und zuletzt auch noch um ihn gebangt.

Ohne Drama ging es bei Steiner nie: Nach seiner fast übermenschlichen Gold-Leistung bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking brachte er das Foto seiner tödlich verunglückten Frau Susann mit aufs Podest. Und alle waren sicher, dass der Mann seine Gewichte mit all seinen Muskeln hebt - einschließlich des Herzens.

Vergangenes Jahr in London lag er dann bewegungslos unter der 196 Kilo schweren Hantel, die ihm in den Nacken gestürzt war, und einen schrecklich langen Moment lang wusste niemand, nicht einmal er selbst, ob er diesen Bühnen-Unfall heil überstehen würde. Er hatte das Unmögliche versucht: Das Eisen festzuhalten, das sich bereits entschlossen hatte, zu fallen. Aber an seine Karriere als Leistungssportler hat er sich jetzt nicht mehr geklammert. Er sagt, er wolle sich um seine Frau und die beiden kleinen Söhne kümmern und nicht mehr nur um sich.

Sein sportlich größter Moment: Matthias Steiner gewinnt Olympia-Gold 2008 in Peking
Sein sportlich größter Moment: Matthias Steiner gewinnt Olympia-Gold 2008 in Pekingpicture-alliance / Sven Simon

Aber natürlich ist das nicht alles. Auch der einst stärkste Mann der Welt musste sich den Gesetzen der Leistung beugen. Niemand ist aus Eisen, auch Steiner nicht. Zwischen 25 und 30 Jahren sind Gewichtheber üblicherweise am besten - da hatte er schon kurz nach London die Altersgrenze erreicht, bei den nächsten Spielen in Rio wäre er mit knapp 35 Jahren ein alter Mann. Sein Körper hat schon vor den Spielen von London massiv gegen die Belastungen protestiert. Und der Kampf gegen die aufgeblähte Konkurrenz aus Iran und Russland wäre immer zermürbender geworden.

Steiner ist der populärste Gewichtheber, den es hierzulande je gab. Sein Sport hat hier mit seinem Rücktritt keinen Star mehr. Ob er selbst einer bleiben wird? Im Oktober lief bereits im Fernsehen eine Spielshow mit dem Titel „Steiner gegen alle“, und vielleicht werden ja noch weitere Teile produziert. Das wäre schon deshalb zu begrüßen, weil wir ihn dann in regelmäßigen Abständen wiedersehen und, wenn der Plan gelingt, uns eines Tages verwundert fragen könnten: Das ist der Steiner? Wo ist nur all das Schwere hin, das ihn umgab? Sack Zement! Jetzt hat er’s leicht.

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