NFL-Fans zeigen Größe : Der beeindruckende Auftritt der „Bills Mafia“
Für Mark Andrews war es wahrscheinlich der schrecklichste Moment seiner Karriere. In allerletzter Sekunde hatte er die allerletzte Möglichkeit für sein Team, die Baltimore Ravens, die Partie bei den Buffalo Bills noch auszugleichen. Es hätte Verlängerung gegeben, der Traum vom Einzug in den Super Bowl wäre am Leben geblieben. Doch Andrews, einer der Besten der Liga, ließ den Ball fallen. Völlig unbedrängt. Einfach so.
Die Baltimore Ravens verloren das Play-off-Spiel nach einem Herzschlagfinale, waren raus aus dem Rennen um den großen Triumph in der National Football League (NFL). Der Schmerz war groß; bei den Fans auf den Rängen, bei den Spielern der Ravens, vor allem bei Andrews selbst. Und dann kam der große Auftritt der Anhänger des Gegners, der Buffalo Bills.
Aufruf an leidenschaftliche Fans
„Wie viele von euch wissen, war (Mark Andrews/d. Red) nicht in der Lage, den Ausgleich zu erzielen, was die Ravens-Fans verärgert hat. Dafür hat er Todesdrohungen erhalten, wurde übel beschimpft. Wir wollen, dass die Bills Mafia für Marks Wohltätigkeitsorganisation spendet. Lasst uns das Ziel von mindestens 5000 Dollar erreichen. Bitte teilt diesen Aufruf!“ So lautet der Text einer Spendenkampagne auf der Plattform Go Fund Me, die Nicholas Howard, ein Fan der Buffalo Bills, unmittelbar nach dem Play-off-Viertelfinale am vergangenen Sonntag ins Leben gerufen hat.
Howard hätte feiern, die Nacht zum Tag machen können wie so viele andere, die sich über den Halbfinaleinzug der Bills freuten, die nun in der Nacht zu diesem Montag (0.30 Uhr bei RTL und DAZN) auf den aktuellen NFL-Champion, Kansas City Chiefs mit Quarterback Patrick Mahomes, treffen. Schließlich hat Buffalo noch nie einen Super Bowl gewonnen, und die Aussichten stehen nach dem Sieg über die Ravens, dem vielleicht größten Konkurrenten der Bills in dieser Saison, so gut wie lange nicht.
Howard aber, ein Sportstudent, der das Spiel mit seinem Vater im Stadion verfolgt hatte, sah die Hasskommentare im Internet und startete die Kampagne. Sein Aufruf richtete sich an die „Bills Mafia“, so nennen sich die leidenschaftlichen Fans des NFL-Teams. Und die Bills Mafia ließ sich nicht lange bitten: Mehr als 140.000 Dollar (etwa 133.000 Euro) wurden bis Sonntagmittag von insgesamt mehr als 4300 Personen gespendet, das anfängliche Spendenziel deutlich übertroffen.
Howard sei „absolut überwältigt“, sagte er in einem Interview mit dem lokalen TV-Sender WIVB. „Ich möchte nur, dass jeder weiß, dass das genau das ist, was man im Leben tun sollte: Liebe gegenüber anderen Menschen zeigen. Das tun wir hier in Buffalo.“
Der Ruf des ewigen Verlierers
Tatsächlich sind die Anhänger der Bills berühmt für ihren großen Einsatz. Einsatz füreinander, wie bei den „Tailgate-Partys“ vor den Heimspielen auf dem Parkplatz, bei denen manche schon mal durch brennende Klapptische springen. Oder für andere, wie nun die Spendenkampagne zugunsten der von Andrews unterstützten Organisation „Breakthrough T1D“ zeigte, die sich für Menschen mit Diabetes Typ 1 einsetzt (worunter auch Andrews leidet).
Und natürlich für ihr Team: Immer wieder machen Berichte von Buffalo-Fans die Runde, die im schneereichen Nordosten der USA eingeschneite Autos der Spieler freischaufeln oder sich zu Duzenden verabreden, um das Stadion und seine Ränge von großen Schneemassen zu befreien.
Dabei sind die Anhänger der Bills selbst leidgeprüft, zumindest mit Blick auf den Sport. Viermal nacheinander erreichte Buffalo zwischen 1990 und 1993 den Super Bowl, alle vier Endspiele verlor das Team. Eines nach dem anderen. Das brachte der Franchise den Ruf des ewigen Verlierers ein, den Buffalo unbedingt ablegen möchte. Nach zuletzt einigen vielversprechenden Jahren, in denen die Mannschaft lange gut mithielt, am Ende aber nicht die nötige Qualität besaß oder das nötige Glück auf ihrer Seite hatte, soll es in dieser Saison endlich etwas werden mit dem Sieg im Super Bowl.
Die bevorstehende Partie gegen die Kansas City Chiefs ist so etwas wie das Gigantenduell der Liga, beide Mannschaften zählten zu den stärksten in dieser Spielzeit. Auch Bills-Quarterback Josh Allen gehört neben Mahomes und Ravens-Spielmacher Lamar Jackson zu den Spitzenkräften der NFL. Beide hat Allen mit seinem Team bereits geschlagen: Mahomes und die Chiefs Ende November während der regulären Saison (30:21), Jackson und die Ravens zuletzt in den Play-offs (27:25).
Die Mannschaft aus Baltimore bedankte sich übrigens öffentlich für den Spendenaufruf zugunsten ihres Spielers, auch Andrews äußerte sich nach einiger Zeit in einem Statement: Trotz der vielen negativen Dinge habe er auch „viel Liebe und Aufmunterung erfahren“, was zeige, dass selbst „in den dunkelsten Stunden viel Licht auf der Welt“ existiere.
Howard war zuvor von den Reportern gefragt worden, wie es für ihn denn wäre, vom NFL-Profi zu hören nach seiner Initiative. „Das wäre das Coolste überhaupt“, hatte der Anhänger der Bills da geantwortet. Weshalb? „Weil ich unglaublich großen Respekt vor ihm habe.“