Sport-Kommentar :
Operation Gold – angeknackst

Ein Kommentar von Evi Simeoni
Lesezeit: 2 Min.
Vorerst wird man Matthias Steiner so nicht sehen - der Olympiasieger ist verletzt
In London 2012 will Matthias Steiner nochmal eine Sternstunde erleben, wie in Peking, als er die Heberwelt aus den Angeln hob. Nun muss sich der Olympiasieger operieren lassen. Steiners Verletzung ist nicht nur für ihn ein schwerer Schlag.
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So grausam kann der Sport sein: Ein Mann tritt zu einem Trainingswettkampf an, sehr optimistisch gestimmt. Die Vorleistungen sind vielversprechend, nun will er sich unter Turnierbedingungen die Bestätigung holen. Er geht auf die Bühne, startet seine Übung, und plötzlich – ein Knacks, der alles ändert.

So ist es vergangenen Freitag Matthias Steiner gegangen, dem Olympiasieger der Gewichtheber, dessen Blick sich in letzter Zeit immer mehr auf ein einziges sportliches Ziel verengt hatte: Die erfolgreiche Titelverteidigung bei den Spielen 2012 in London, den Versuch, noch einmal solch eine Sternstunde zu erleben wie vor drei Jahren in Peking, als er mit einem einzigen, gewaltigen Schlussversuch die ganze Heberwelt aus den Angeln hob.

Und jetzt? Sie wussten es sofort. In dem Moment, als Steiners Sehne anriss, die den Oberschenkelmuskel mit dem Knie verbindet, war allen klar, das dies ein schmerzhafter Einschnitt nicht nur in Steiners Karriere, sondern in das deutsche Gewichtheben sein würde. Ein Sport geht in die Knie.

Am Freitag wird Steiner operiert, die deutschen Meisterschaften im Oktober in Forst und die Weltmeisterschaften im November in Paris werden ohne ihn abgehalten. Monatelang wird der 29 Jahre alte Schwerathlet sein linkes Knie nicht belasten dürfen. Wenn er Glück hat, kann er im neuen Jahr wieder mit dem Training beginnen, mit einer Schwachstelle an einem Punkt, der in seinem Sport extrem belastet wird.

Zur Erinnerung: Bei seinem Olympiasieg stemmte Steiner im Reißen 203 Kilogramm, im Stoßen 258 Kilogramm, eigentlich unvorstellbare Lasten auf einem Menschenkörper. Steiner, die Kämpfernatur, wird nicht aufgeben und weiter auf seinen Start in London hinarbeiten. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Operation Gold sich in einem einzigen Augenblick in eine Operation Quadrizeps verwandelt hat.

Blickt man zurück auf die deutsche Gewichthebergeschichte, so sind hierzulande gleich mehrere Sport-Wunder geschehen. Immer wieder hat dieses Land starke Leute an den Start gebracht, besonders Superschwergewichtler wie Manfred Nerlinger, Ronny Weller und den aus Österreich importierten Steiner, aber auch Heber in leichteren Klassen wie Marc Huster oder Ingo Steinhöfel.

Alles exzeptionelle Talente, die immer wieder vom deutschen Cheftrainer Frank Mantek zu ihren Weltklasseleistungen begleitet wurden. Denn auch wenn über jedem Gewichtheber der Dopingverdacht schwebt, so haben Sportler in Deutschland doch sehr viel weniger Möglichkeiten dazu als etwa Osteuropäer oder Asiaten. Den Kraftüberschuss der Konkurrenz müssen sie durch Talent, Fleiß und Cleverness wett machen. Doch nun wird die Hantel wohl für mehr als nur eine Schrecksekunde liegenbleiben. An Steiner hängt eine ganze Sportart, ihre Geltung und die Motivation seiner Mitstreiter, er verkörpert sie hierzulande wie keiner zuvor, und seine Verletzung ist ein schwerer Schlag nicht nur für ihn.

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