Vendée-Globe-Logbuch : „Ich bin müde und sehe crazy aus“
Boris Herrmann hält eine große Rohrzange vor sein Gesicht. Diesen Greifer präsentiert er in einem Videoupdate vom Mittwoch. Er habe damit sein Segel repariert und fühle sich nun wie der tüftelnde Serien-Agent MacGyver. Wer auf dem Meer allein unterwegs ist, muss erfinderisch werden, selbst wenn die Bedingungen hart sind. Solo-Segler müssen ihre Boote nicht nur durch die Wellen steuern, sondern auch reparieren können, wenn sie Schaden nehmen.
Am Donnerstag musste Herrmann wieder als Handwerker aktiv werden. Eine Befestigung am J2-Segel hatte sich gelöst. Um das Problem zu beheben, musste er sein Boot sogar kurz stoppen, wie er in einer Sprachnachricht erzählte. Dann nahm er wieder Fahrt auf und segelte mit 20 Knoten weiter durchs Südpolarmeer. Er nehme nun eine ähnliche Route wie Justine Mettraux (Teamwork – Team Snef). Sie segelt auf Position zehn direkt vor ihm. Für die Hälfte der Woche erwartet er moderate Konditionen. „Gerade geht es gut voran“, sagte Herrmann. Sein Rückstand auf die Spitze: rund 1350 Seemeilen.
Mentaler Zusammenbruch mitten auf See
Seine Stimmung schien sich trotzdem wieder etwas verbessert zu haben. Denn in der vergangenen Nacht fand er mehr Schlaf und Ruhe. Am Morgen zuvor hatte er von einem mentalen Zusammenbruch berichtet. „Ich fühle mich nicht gut, ich bin müde, und ich sehe crazy aus“, sagte Herrmann, der mit strubbeliger Frisur in die Kamera blickte und danach die bunten Seile auf seinem Deck zeigte. Er habe es nicht geschafft aufzuräumen. Danach filmte er Minutenlang bei einer Wende das Meer und betrachtete die Albatrosse.
Louis Burton (Bureau Vallée) hingegen muss seine Zeit auf dem Meer bald beenden. Am Mittwoch hatte er das Kap der Guten Hoffnung passiert, dann bemerkte er den Schaden am mechanischen Part seines Riggs. Zehn Stunden suchte er nach einer Lösung, um das Problem zu beheben. Doch er fand sie nicht und musste aufgeben. Nun steuert er auf Kapstadt zu, um dort an Land zu gehen. Bei günstigen Winden könnte er die Stadt in rund eineinhalb Tagen erreichen.
Schäden an ihren Booten könnten auch der Spitzengruppe bevorstehen, die gerade in der Nähe des Kerguelen-Archipels unterwegs ist, einer Inselgruppe im südlichen Indischen Ozean. Die Gruppe wird weiter von Charlie Dalin (Macif Santé Prévoyance) angeführt. Auf ihrem Weg nach Australien, zum Kap Leeuwin, stehen ihnen starke Winde und meterhohe Wellen bevor. Niemand weiß, wie gut die Boote diese Bedingungen überstehen werden.