Elye Wahi nach Frankfurt :
Wer ist der Stürmer, der Omar Marmoush ersetzen soll?

Lesezeit: 6 Min.
Elye Wahi von Olympique Marseille soll bei Eintracht Frankfurt Omar Marmoush ersetzen.
Nach dem Weggang von Omar Marmoush verkündet Eintracht Frankfurt die Verpflichtung des Angreifers Elye Wahi. Der Franzose soll der nächste große Stürmer werden. Warum das gut funktionieren könnte.
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Noch sind mehr als drei Monate zu absolvieren, ehe sich mit Sicherheit sagen lässt, was es mit dieser Frankfurter Fußballsaison wirklich auf sich hat. Doch eines der wenigen Ziele, die sie im vorigen Sommer öffentlich formulierten, ist schon jetzt zum Greifen nahe. Mit dem Anspruch, das Achtelfinale der Europa League zu erreichen, waren die Frankfurter in dem internationalen Wettbewerb, in dem sie im Mai 2022 im Endspiel von Sevilla aufgetrumpft hatten, gestartet.

Ende Januar 2025 lässt sich festhalten, dass nur eine Verkettung ungünstigster Umstände sie von ihrem Vorhaben abbringen kann: Mit dem 2:0 gegen Ferencváros Budapest schob sich die Eintracht in der Tabelle der 36er-Gruppe auf den zweiten Platz. Tiefer als Platz neun kann sie am letzten Vorrundenspieltag, an dem sie am nächsten Donnerstag bei der AS Rom antreten wird, nicht mehr fallen. Die ersten acht Mannschaften sind laut UEFA-Reglement direkt fürs Weiterkommen qualifiziert, während die Teams von Rang neun bis 24 den Umweg über die Play-offs nehmen müssen.

Dass sich das Gesicht der Mannschaft in naher Zukunft noch mal an wichtiger Stelle verändern würde, hatte bereits festgestanden. Elye Wahi war der Kandidat, auf den sich die Eintracht bei einem Speeddating nach dem Abgang von Omar Marmoush als Wunschlösung in der Offensive verständigt hatte. Am Freitagabend dann machte die SGE den Transfer offiziell. „Wir haben uns seit längerer Zeit mit Elye Wahi beschäftigt und wir freuen uns, dass er ab sofort bei Eintracht Frankfurt spielen wird“, sagte Sportvorstand Markus Krösche.

Rund 30 Millionen Euro Ablöse

Mit Wahi kommt ein Spieler hinzu, der sich außerordentlich gut mit Hugo Ekitikés Profil ergänzen dürfte, so das Kalkül der Frankfurter. Der 22 Jahre alte Stürmer spielte schon 125-mal in der französischen Ligue 1. Er traf 44-mal und bereitete 13 Treffer vor. Seine Entwicklung verlief organisch: Er startete seine Laufbahn beim Jugendklub Montpellier, wechselte dann für 30 Millionen Euro nach Lens, wo Wahi in der Champions League mit mehreren Treffern für Aufsehen sorgte. Dann folgte im Sommer der Schritt zu Olympique Marseille, einem der größten Klubs Frankreichs.

In Marseille kam Wahi in dieser Saison 14-mal zum Einsatz und traf dreimal. Noch kurz vor Weihnachten erklärte OM-Präsident Pablo Longoria, er wolle Wahi unbedingt halten. Nun das Umdenken: Marseille war bereit, den Spieler abzugeben, sofern die Transfersumme aus dem Sommer erzielt wird. Damals zahlte OM 25 Millionen Euro an Lens und vereinbarte Bonuszahlungen in der Höhe von vier Millionen Euro. Mit der Eintracht einigte sich der Klub nun auf 26 Millionen Euro feste Ablöse und drei Millionen Euro Variable. Ein Nullsummenspiel für OM, und für die Eintracht bleibt ein ansehnlicher Gewinn aus dem Marmoush-Geschäft.

Wahi hatte sich vor der Bekanntgabe bereits von seinen Mannschaftskameraden verabschiedet. Auch seinem Trainer, dem italienischen Taktikguru Roberto De Zerbi, sagte er persönlich Au revoir. Er hoffe, dass Marseille und Frankfurt im kommenden Jahr in der Champions League aufeinandertreffen.

Drei Jahre des Bemühens

Bereits am Donnerstagabend war Wahi nach Frankfurt gereist. Zu spät zwar, um den 2:0-Sieg gegen Budapest anzuschauen. Aber früh genug, um zu seinem alten Mannschaftskollegen Niels Nkounkou Kontakt aufzunehmen, mit dem er seit der gemeinsamen Zeit in der französischen U21-Nationalmannschaft befreundet ist.

Drei Jahre lang hat die Eintracht versucht, Wahi zu verpflichten. Doch erst scheiterte der Transfer am Zeitpunkt, dann wollte der Stürmer in Frankreich bleiben. Nun ist er bereit für den Schritt in eine ausländische Liga und zu einem Klub, der mittlerweile europaweit dafür bekannt ist, Stürmern die Tore nach Manchester, Paris oder Madrid zu öffnen. Wahi entschied sich deshalb, das Interesse der Premier-League-Klubs West Ham und Bournemouth abzulehnen. „Ich bin glücklich, ab sofort bei der Eintracht zu sein. Das ist ein großer Klub, von dem ich viel Positives gehört habe“, sagte er.

Aus seiner Sicht ist die Eintracht der nächste, logische Schritt. Er verlässt seine Heimat Frankreich, in der er besonders beim emotionalen Verein Marseille im Fokus stand. Und er kommt zu einem Verein, der nahezu sicher in der kommenden Saison europäisch spielen wird, vielleicht sogar in der Champions League.

In der Kabine warten sechs andere französischsprachige Spieler auf ihn, darunter Nkounkou. Und am Seitenrand steht ein Trainer, der ihm auf französisch erklären kann, wie das intensive Spiel der Bundesliga funktioniert. Toppmöller sprach mehrmals  mit Wahi, wie es aus dessen Umfeld heißt, und überzeugte den jungen Franzosen, in der Bankenstadt und nicht am Mittelmeer zu stürmen.

Respektvoller Zeitgenosse ohne Starallüren

Die Eintracht gewinnt mit Wahi einen Angreifer, der mit seinem Tempo, seiner Dribbelstärke an einen berühmten Vorgänger erinnert. Nicht ganz so konstant, nicht ganz so treffsicher wie Omar Marmoush ist Wahi bisher – aber wäre er es schon, hätte ihn die Eintracht nicht verpflichten können. Der Franzose wiegt 77 Kilogramm bei 1,81 Meter Körpergröße, er ist dadurch wendig und flink und könnte das Frankfurter Konterspiel, das zuletzt ein wenig an Fahrt verloren hatte, antreiben. Auch als Elfmeterschütze ist Wahi in Frankreich bereits aufgetreten – eine Rolle, die seit Marmoushs Abgang offen ist.

In der Kabine soll Wahi ein respektvoller Zeitgenosse ohne Starallüren sein, heißt es aus Frankreich. Ob er schon an diesem  Sonntag, wenn die Eintracht in Hoffenheim (15.30 Uhr, im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei DAZN) spielt, Teil des Kaders ist, wird sich im Laufe des Wochenendes zeigen.

Gegen die TSG Hoffenheim soll den Frankfurtern auch ihre defensive Stabilität zugutekommen. Ko-Trainer Jan Fießer sprach von einer „Bereitschaft zu verteidigen auf hohem Niveau“, die unabhängig von Namen die funktionierende Gemeinschaft kennzeichne. Gegen Budapest gelang der dritte Zu-null-Sieg in diesem Jahr. Die letzte Reihe vor Keeper Kevin Trapp „funktioniert gut“, brachte es der Achtunddreißigjährige auf den Punkt, „wir werden gefühlt von Woche zu Woche stärker“, weil sich jeder für den anderen vorbildlich ins Zeug lege: „Wir ackern bis zum Ende“, konstatierte Fießer zufrieden.

Der ungefährdete Erfolg gegen die Ungarn war der vierte seit dem Wiederbeginn nach der Weihnachtspause, an Selbstvertrauen mangelt es aktuell niemanden in ihren Reihen. Das klang auch bei Fießer durch. Der Assistent von Dino Toppmöller vertrat am Donnerstag an der Seitenlinie den rotgesperrten Chef und formulierte anschließend  pointiert die gestiegenen Ansprüche: „Rom wird keine Kaffeefahrt. Wir wollen uns nicht das Kolosseum anschauen, sondern drei Punkte holen.“

„Es ist ein guter Test für uns alle.“

Nun steht aber erst einmal das Spiel gegen Hoffenheim an. 15.000 Fans werden die Eintracht begleiten. Vor dem Duell mit den Kraichgauern macht ein Blick in die Statistik Mut. Gegen keinen Konkurrenten gewannen sie seit 2018 öfter, zehn der vergangenen 13 Partien gestalteten die Frankfurter siegreich. Hugo Larsson sprach von einem ausgeprägten Glauben an die eigene Stärke, der durch Leistungen wie gegen Budapest weiter wachse, weil das Team  spüre, dass es „uns hilft“, wenn es sich strikt an einen „guten Matchplan“ halte.

„Im Moment gewinnen wir weiter. Nun kann ich schlecht über ihn reden: Vielleicht war er gar nicht so wichtig“, sagte Larsson mit einem Augenzwinkern über Marmoush – um im gleichen Atemzug mit Ernsthaftigkeit in der Miene zu ergänzen: „Omar war so, so, so wichtig für uns. Aber ich denke, es ist ein guter Test für uns alle.“

Ohne das Zutun des nun auf der britischen Insel beheimateten Goalgetters mangelte es zunächst an klaren Abschlussaktionen, weil die Frankfurter den Strafraum zwar belagerten, aber nicht entschlossen genug vorstießen. Erst nach dem Seitenwechsel trugen sie ihre Angriffe zügiger – und wegweisend – vor. „Wir wussten, dass wir früher oder später treffen würden“, kommentierte der Schwede das Geduldspiel, das Can Uzun mit seinem „Dosenöffner“ beendete, wie Fießer den sehenswerten Fernschusstreffer beschrieb (50. Minute).

„Seine Qualität im Ballbesitz ist unbestritten“, sagte Fießer,  darüber hinaus sei der Neunzehnjährige „mental stark“ wie nur wenige aufstrebende Talente in seinem Alter. Er habe „ein Mindset geändert, das schaffen nicht viele“.  Er attestierte dem vom 1. FC Nürnberg abgeworbenen Uzun enorme Entwicklungssprünge – und hob dabei dessen gestiegene Bereitschaft, nach hinten mitzuarbeiten, hervor.

Larson bezeichnete den Auftritt gegenüber weite Strecken zurückhaltende Budapester als „Fortschritt“, weil generell jedem im Team  klar sei, dass er nach dem Abgang des Goalgetters „ein paar Prozent“ mehr leisten müsse, um den Verlust an Klasse kollektiv zu kompensieren. „Natürlich ist es eine Chance für einen Spieler, wenn der beste Spieler vom Team weggeht“, sagte Uzun. Marmoush sei ein „Weltklassespieler“, betonte der Teenager. „Seine Lücke zu schließen ist nicht einfach.“ Elye Wahi trauen sie es aber zu.

So klug als wie zuvor

Gute Seiten, schlechte Seiten. Den zarten Aufwind, den die TSG Hoffenheim nach neun Spielen ohne Sieg am vergangenen Samstag beim 3:1-Erfolg beim Bundesliga-Vorletzten Holstein Kiel verspürte, nahm sie am Donnerstag zumindest mit in das Europa-League-Duell mit dem derzeit ebenfalls krisengeplagten englischen Traditionsklub Tottenham Hotspur. Die positiven Momente reichten aber nicht, die 2:3-Heimniederlage in Sinsheim zu verhindern. Wenn es galt, war der Premier-League-Fünfzehnte immer einen Schritt schneller und eine Nuance entschlossener als der Bundesliga-Fünfzehnte, der kaum noch eine Chance besitzt, die K.o.-Phase der Europa League zu erreichen.

Womöglich besser so, da den Hoffenheimern der Mitte November vollzogene Trainerwechsel vom Amerikaner Pellegrino Matarazzo zum Österreicher Christian Ilzer bisher nicht weitergeholfen hat. Sie waren damals Tabellenfünfzehnter und sind es heute noch immer. Der Meistertrainer von Sturm Graz hatte zu lange darauf gesetzt, dass seine Meisterstrategie mit viel Tempofußball und unermüdlich hohem Pressing auch im Kraichgau fruchten werde.

Stattdessen folgten dem Einstandscoup beim 4:3-Heimsieg über RB Leipzig neun sieglose Spiele (sechs Niederlagen, drei Remis). Bis dem frustrierten kroatischen Spielmacher Andrej Kramaric nach der 0:5-Klatsche beim Rekordmeister Bayern München der Kragen platzte und für jedermann offenbar wurde, wie schlecht es um das Binnenklima zwischen Mannschaft und Trainer bestellt war. „Das ist eine große Scheißsaison“, sagte der von Ilzer auf eine Außenposition abgeschobene zentrale Mittelfeldspieler in aller Derbheit, „wenn niemand das ändern wird, werde ich versuchen, es zu ändern.“ Immerhin: Seitdem darf Kramaric das Offensivspiel der TSG wieder auf seiner Lieblingsposition lenken und beflügeln.

Der zum Erfolglostrainer mutierte Ilzer gab sich zuletzt kompromissbereit und ließ seine Mannschaft endlich wieder das spielen, was sie kann: punktuell ansehnlichen Kombinationsfußball. Ob der beim Heimspiel gegen den Tabellendritten Eintracht Frankfurt zu einem vollen Erfolg reicht, ist aber sehr zweifelhaft. Dazu fehlt es besonders der porösen Hoffenheimer Abwehr an Qualität, die sich auch gegen Tottenham haarsträubende Schnitzer leistete. Spieler, Trainer und Vereinsführung wollen immerhin in der Not zusammenstehen. Ein guter Vorsatz, mehr aber noch nicht. (rz)

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