Entschleunigung als Hürde : Warum ist Schlendern für Ausdauersportler eine Qual?

Nicht der Marathon oder Ironman sind die ultimativen Herausforderungen für Ausdauersportler, sondern das Schlendern. Nicht das Tempo, sondern der Stillstand. Was steckt dahinter? Eine Glosse.
Dieser Tage habe ich mit Patrick Lange telefoniert, dem zweimaligen Hawaii-Champion im Triathlon. Dabei erzählte er mir ganz nebenbei, dass es für ihn nichts Schlimmeres und Strapaziöseres gibt als Shoppen, als Schlendern. Das schmerze ihn, das fände er schrecklich anstrengend. Finde ich interessant.
Ich habe mich daraufhin ein bisschen im Freundeskreis umgehört, und siehe da: Der Freund, der einen Ironman-Triathlon und diverse Marathonläufe hinter sich hat, wundert sich kein bisschen über Langes Einstellung. Er empfindet genauso. Schlendern sei ganz furchtbar, es erschöpfe ihn, sei richtig anstrengend. Tausendmal lieber mache er einen langen, flotten Lauf als dieses Schlendern.
Unterschätzter Extremsport
Ein anderer Freund, auch er passionierter Ausdauersportler, stimmt zu. Ganz schlimm, sagt er, Schlendern sei ihm ein Gräuel. Herumspazieren ermüde ihn, geistig und körperlich. Wie aber kann es sein, dass Athleten, die mit Begeisterung die Zugspitze hinaufrennen oder sich an Ultraläufe wagen, am vermeintlich mühelosen Schlendern scheitern?
Das Thema geht noch tiefer, zumindest bei mir zu Hause. Nicht nur der ziellose Einkaufsbummel treibt offenbar nicht wenige Sportbegeisterte an ihre Grenzen, sondern auch entspannte Strandspaziergänge. Nehmen wir meine Frau. Sie liebt Strandspaziergänge. Für sie bedeutet das aber kein erholsames Dahingehen inklusive Muschelnsammeln, sondern eine Art Power Walking, quasi Stechschritt. Wenn ich dann anmerke, dass es ja StrandSPAZIERGANG heißt und nicht BeachRUNNING, sagt sie: Dieses Schlendern, diese zermürbende Art der Fortbewegung kurz vor dem Stillstand, mache sie wahnsinnig. Und dann marschiert sie weiter.
Der Schluss liegt nahe: Nicht der Marathon und nicht der Ironman sind die ultimativen Herausforderungen für Ausdauersportler, sondern das Schlendern. Nicht das Tempo, sondern der Stillstand. Nicht das Ziel, sondern die Ziellosigkeit. So ist das Schlendern womöglich ein bislang unterschätzter Extremsport, der jedem Flaneur nicht nur körperlich, sondern auch mental absolute Höchstleistung abverlangt.
Warum also nicht aus dem Schlendern eine offizielle Sportart machen? 4x400-Meter-Hürdenschlendern? Zielloses Umherlaufen auf der Zeil? Altstadtschlendern in Rüdesheim? 24-Stunden-Schlendern auf dem Nürburgring? Ein Schlender-Weltcup? Vielleicht sogar olympisch, warum nicht? Dafür könnte sich der zu gründende Deutsche Schlender-Verband starkmachen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Ich sehe darin Potential. Und die realistische Chance, Patrick Lange mal in einem Wettkampf zu schlagen.