Fotografin Lee Miller : Von Glamour und Grauen

Bilder, die nachwirken: Für die „Vogue“ dokumentierte die Fotografin Lee Miller Momente des Zweiten Weltkriegs in Europa – und ließ sich selbst in Hitlers Badewanne fotografieren.
Auf den ersten Blick meint man, eine Schlafende zu betrachten. Entspannt und doch anmutig liegt die junge Frau auf einem dunklen Sofa, blondes Haar fällt in die makellose Stirn, zierlich wirkt sie, die Augen geschlossen, der Mund leicht geöffnet. Doch dann sind da ihre Hände. Kraftlos liegen sie da, aber auch seltsam verkrampft. Während der Blick noch über den Mantel der Frau wandert, über das DRK-Abzeichen am Ärmel und wieder zum Gesicht, bahnt sich leise, aber vehement das Verständnis seinen Weg ins Bewusstsein: Dies ist nicht das Bild einer Schlafenden. Es ist das einer Toten. Es ist das Bild von Regina Lisso, Tochter von Ernst Kurt Lisso, von 1940 an stellvertretender Bürgermeister von Leipzig. Aufgenommen hat es Lee Miller, am 20. April 1945, zwei Tage nach dem gemeinsamen Suizid von Vater, Mutter und Tochter mit Zyanidkapseln im Leipziger Rathaus.