Fashion Week in Paris :
Eine Deutsche ist die neue Star-Designerin

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„Sich selbst wieder näher kommen“: Designerin Chemena Kamali bringt für Chloé ihr Lebensgefühl auf den Laufsteg.
Es ist erst ihre zweite Kollektion für Chloé, aber der Rummel ist jetzt schon gewaltig: Die Deutsche Chemena Kamali entwirft wunderbare Sommerkleider – und begeistert damit massenweise Prominente.

Sienna Miller ist da, Juliette Lewis, Selma Blair und Diane Kruger sind es auch. Links neben der Fotowand bildet sich am Donnerstagvormittag schon eine Promi-Traube, weil die Fotografen gar nicht hinterherkommen, die vielen berühmten Frauen abzulichten, die bei Chloé anlanden. Prominente gehören zwar beim Prêt-à-porter dazu wie der Champagner bei der Party am Abend. Bei Chloé aber war der Andrang bislang begrenzt. Jetzt zeigt sich, was und vor allem wer diese Marke mit Tempo, Fleiß und sogar Spaß nach vorne bringt.

Vor gerade mal einem halben Jahr zeigte Chemena Kamali ihre erste Kollektion als Chefdesignerin von Chloé. Damals war sie höchstens Insidern bekannt, darunter einigen Deutschen. Die 42 Jahre alte Modemacherin ist in Dortmund aufgewachsen, hat in Trier studiert und mal in Nördlingen für Strenesse gearbeitet – bevor sie nach Paris ging und unter anderem als Studioleiterin für Saint Laurent tätig war.

Dann kam das Debüt als Chefdesignerin bei Chloé im Februar. Im Mai war sie beim Met Ball in New York, dem Oscar-Abend der Modebranche. Aber sie trat nicht wie üblich mit einem einzigen Promi an ihrer Seite auf, sondern hatte eine ganze Schar Frauen mitgebracht: Greta Gerwig, Sienna Miller, Emma Mackey, Zoe Saldana. Kurz darauf war Chemena Kamali im Schloss Bellevue bei einem Staatsbesuch von Emmanuel Macron zur deutsch-französischen Freundschaft dabei. Zum Parteitag der Demokraten im August stattete sie Kamala Harris gleich zweimal aus.

Chemena Kamali (zweite von rechts) auf der Met-Gala im Mai in New York, umringt von Stars wie Regisseurin Greta Gerwig (Mitte) und den Schauspielerinnen Zoe Saldana (links) und Sienna Miller (rechts)
Chemena Kamali (zweite von rechts) auf der Met-Gala im Mai in New York, umringt von Stars wie Regisseurin Greta Gerwig (Mitte) und den Schauspielerinnen Zoe Saldana (links) und Sienna Miller (rechts)Evan Agostini/Invision/AP

Sie hat die Blumenprints aus den Archiven geholt

Ereignisreiche Monate für eine Designerin, die lange Star-Designern zugearbeitet hat. Jetzt ist sie selbst in dieser Rolle und holt zugleich die Vergangenheit von Chloé in die Gegenwart. Die vielen Blumenprints in der Kollektion stammen aus den Archiven. Karl Lagerfeld, damals bei Chloé, hatte sie für seine Kollektion 1977 bei einem Seidenproduzenten in Matera entwickeln lassen. Also reisten Kamali und ihr Team nach Apulien und holten die Drucke aus Matera auf diesen Laufsteg.

Das Historische macht die Stücke besonders, die Schnitte – allen voran die Vokuhila-Kleider, vorne so kurz wie knappe Miniröcke, hinten streifen sie den Boden – ­machen es modern. Darüber wirft Kamali Jacken, die lockerer anmuten als die vielen breitschultrigen Blazer andernorts auf dem Laufsteg. Auch darin äußert sich ihr Selbstbewusstsein als Designerin.

Selma Blair, Diane Kruger, Anna Wintour und Sienna Miller (von links nach rechts) am Donnerstag bei der Schau von Chloé in Paris
Selma Blair, Diane Kruger, Anna Wintour und Sienna Miller (von links nach rechts) am Donnerstag bei der Schau von Chloé in Parisdpa

Wenn in Mailand vergangene Woche viele Modemacher die Dolce Vita hoch­gehalten haben, vom italienischen Sommer sprachen, aber zumeist nicht den Mut hatten, in ihren Kollektionen konsequent locker-leichte Sommerkleider durchzusetzen, ist diese Chloé-Kollektion mal herrlich unbeschwert. „Sommergefühl kann sich unterschiedlich äußern“, sagt Kamali nach der Schau backstage. „Einige wollen los und was erleben. Andere wollen pausieren. Mir ging es darum, das Gefühl, sich selbst wieder näher zu kommen, in die Kollektion zu bringen.“

So schafft man Stimmung. Beim Label Gauchere kommt sie ganz ohne Laufsteg-Schau auf. Die Designerin Marie-Christine Statz, noch eine Deutsche, die längst in Paris verwurzelt ist, empfängt in ihrem Atelier. Ihr Colorblocking und die Kleider aus rasiertem Bändchengarn fallen auch am Bügel auf.

Umgekehrt nutzt Valérie Messika, die unter eigenem Namen Schmuck entwirft, die ganz große Bühne: eine Laufsteg-Schau für ihren Diamantschmuck. Der Rummel am Abend bei Messika toppt noch den Andrang am Vormittag bei Chloé: Eva Herzigová auf dem Laufsteg, Heidi Klum und Tom Kaulitz in Reihe eins. Einen Block weiter: Cardi B, Natalia Vodianova und dazwischen – ebenfalls unüblich – die Designerin selbst, Valérie Messika. Dabei ist sie damit in diesen ersten Tagen beim Prêt-à-porter sogar in guter Gesellschaft.

Denn Dries Van Noten steht jetzt zur Schau von Dries Van Noten nicht mehr backstage bei den Models, sondern sitzt in der ersten Reihe. Im März gab er seinen Rücktritt aus dem Unternehmen bekannt, das er 1986 gegründet und schon 2018 verkauft hatte. Was für ein seltsamer ­Moment: Dries Van Noten zum ersten Mal ohne ihn. Dass er sein Haus in gutem Zustand verlassen hat, zeigt das Ergebnis des Designteams aus Antwerpen. Sie präsentieren ein Feuerwerk der Stoffe und Drucke, das Markenzeichen der belgischen Marke. Glänzender Satin mit maskulinen Streifen, Blumen im Aquarellstil auf strukturierten Stoffen, dazwischen gut verkäufliche monochrome Satinblousons und ­Taschen im Schlangenprint. Am Ende tritt das ganze Team auf den Laufsteg. Auch das kann ein Anfang sein.

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