Vom Eiffelturm bis L.A. ist es am Dienstagabend nur einmal über die Straße, denn Saint Laurent, die direkt gegenüber schon so was wie Stammmieter sind – immer pünktlich um 20 Uhr am ersten Dienstag der Modewoche – haben vor dem Laufsteg kalkweiße, lebensgroße Palmen aufbauen lassen. Zwischen den Rängen und diesen Palmen ist Wasser, über das die Models nun tatsächlich laufen. Es macht sie natürlich nicht zu Heiligen, auch wenn der Markenname Saint Laurent das suggeriert. Aber der Trick im Namen der schönen Bilder tut tatsächlich mal der Mode gut. So fällt der Blick sofort auf die Plateausandalen. Dazu tragen sie eine Kreuzung aus den inoffiziellen Uniformen für Paris und L.A. – viel Schwarz, viele hohe Taillen, viele knappe Kleider und kastige Blazer. Und am Ende: viel Bademode. Es geht komplexer, aber andererseits: Das hier soll ja L.A. sein. Christelle Kocher macht aus Streetwear Kostbarkeiten, indem sie die einfachen Stücke in mühevoller Arbeit so lange mit allem Funkelnden besetzt, bis auch sagen wir ein Fußballtrikot handwerklich mit einem Couture-Kleid mithalten kann. In dieser Kollektion, die sie in der Zentrale der Kommunistischen Partei Frankreichs zeigt, hält sie sich mit überschwänglichem Luxus zurück, als sei das nicht der richtige Ort dafür. Das ist schade, denn ohne die Oberflächenbearbeitung kommt sie nicht über die in Paris unter jungen Designern seit einigen Jahren beliebte Hässlichkeit hinaus. Und davon gibt es hier wahrlich zu viel. Marques’Almeidas Laufsteg ist schon deshalb eine Charakterschau, weil dieses Designerduo seine Models auf der Straße sucht und findet. Die Designer arbeiten eigentlich von London aus, zeigen zum ersten Mal in Paris und passen stilistisch in der Vetements Ära ganz gut in die Stadt. Aber auch dieser bewusst hässlich gehaltene Stil nutzt sich irgendwann ab, und die Hoodies zu langen Kleidern, die nicht perfekt sitzenden Karoteile zeigen, er altert ziemlich schlecht. Das Leben scheint gut zu Dries Van Noten zu sein. Diesen Sommer hat er Mehrheitsanteile an den spanischen Konzern Puig verkauft, und wenn diese Kleider auf dem Laufsteg irgendetwas übers Geschäft aussagen, dann, dass er es jetzt leichter nehmen kann. Hier ist nichts schwer und steif, selbst die Cargo-Hosen wirken in Weiß sanft, so wie auch die bedruckten Seidenkleider, die Mäntel über den Armen der Models. Und die Pailletten, Glitzerstränge und Federgestecke in den Haaren sind hier kaum Applikation im Namen der Aufmerksamkeit, sondern vielmehr souveräne Dekoration. Chloé bleibt rough und schwebt zugleich über den Dingen. Die Gürtel sind hier eigentlich Kordeln, die Ikat-Muster bunt, die Kragen der Seidenblusen fliegen und Kreativ-Direktorin Natacha Ramsay-Levi plant dazwischen viel Weißraum ein. Zusammen ist das also trotzdem noch ein echter Trip. Im kommenden Sommer wäre man gerne dabei. Christa Bösch und Cosima Gadient zeigen schon seit einigen Saisons in Paris, aber zum ersten Mal ehrt die Modekammer sie mit einem Slot auf dem offiziellen Kalender. Also ist das ihre Gelegenheit, um zu zeigen, wofür sie stehen, nämlich kalkulierte Improvisation: Diese Kollusion der Muster wird nur durch Extremeres unterbrochen, durch Brandlöcher, durch Bleichflecken und Cut-Outs. Und selbst dann halten Schnüre das Ganze halbwegs zusammen. In der durchgetakteten, durch und durch hierarchischen Mode ist dieses Debüt mal anders. Yolanda Zobel, die in Deutschland aufgewachsen ist, in Berlin studiert hat und zuletzt bei Jil Sander tätig war, hat Courrèges im Februar übernommen. Bei ihrer ersten Schau gibt’s jetzt keine Sitzordnung, und anstatt dass die Models synchron laufen, posiert hier jedes, wie es mag, in extrem kurzen Jacken, Riesenkapuzen und Bikinis, die nicht viel mehr als Schnüre sind. Um dem Erbe dieser Marke im Hier und Jetzt Sinn zu geben, wird sie länger als eine Saison brauchen, aber immerhin: jeder soll dabei sein. Die Models drehen auch vor der Tür eine Runde, für die Zuschauer auf der Straße.