Klimawandel : Die erhitzten Eiskappen strömen dahin
Nicht allein die gewaltigen Eisreservoire Grönlands und der Antarktis sorgen für den steten Anstieg des Meeresspiegels. Das Eiswasser schmelzender Gletscher in Sibirien und Alaska wird jedes Jahr mehr und ist in den Berechnungen nicht berücksichtigt.
Nicht die gewaltigen Eisreservoire Grönlands und der Antarktis dürften in den kommenden Jahrzehnten für den erwarteten deutlichen Anstieg des Meeresspiegels sorgen, sondern die Gletscher an den polaren Rändern der Kontinente und die Gebirgsgletscher. Das ist das Ergebnis einer Analyse mehrerer Studien über Eismassen, die von einer internationalen Polarforschergruppe um Mark Meier von der University of Colorado in Boulder vorgenommen wurde.
In der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Science“ (doi: 10.1126/science.1143906) berichten die Wissenschaftler, dass aus den alpinen Gletschern und den Eiskappen an den Kontinentalrändern vor allem in Alaska und Sibirien allein im vergangenen Jahr zwischen dreihundert und fünfhundert Kubikkilometer Wasser in die Meere geflossen sind. Das beschleunigte Abfließen und „Kalben“ an den Gletscherrändern und deren sukzessive Ausdünnung seien bei vielen herkömmlichen Eismassenberechnungen nicht berücksichtigt worden.
Oft bleibt unsichtbar, was unter der Oberfläche geschieht. Nach Überzeugung der Forscher sind das vor allem dynamische Veränderungen, die das wahre Ausmaß der Eisverluste kaschieren. Der oben abgebildete Columbia-Gletscher westlich von Valdez in Alaska, aufgenommen Anfang der achtziger Jahre und fünfundzwanzig Jahre später im Jahre 2005, lässt die Veränderungen erahnen. Das Ende der Gletscherzunge im Prince William Sound hat sich in den zweieinhalb Dekaden um gut fünfzehn Kilometer zurückgezogen.
Von den 2,4 bis 3,8 Millimeter Meeresspiegelanstieg, die man im Schnitt der vergangenen Jahre ermittelt hat, sollen allein 1,8 Millimeter auf das Konto der Eiskappen und Gletscher gehen. Der Rest wird fast ausschließlich der Wärmeausdehnung des Meerwassers zugerechnet. Ein Drittel der Eismassen an den Kontinentalrändern und ein Großteil der kleinen Inlandgletscher sollen nach den Schätzungen der Forscher bis zum Ende des Jahrhunderts verschwinden. Das dürfte zu einem Anstieg des Pegels um 10 bis 25 Zentimeter führen. Der Gesamtanstieg könne demnach auch größer ausfallen als die vom Weltklimabeirat IPCC noch vor wenigen Monaten prognostizierten zwanzig bis fünfzig Zentimeter.