Naher Exoplanet Proxima b : Wenn der Heimatstern einem das Leben schwer macht
Strahlungsausbrüche, sogenannte Flares, kommen auf der Sonne regelmäßig vor: Von gewaltigen Magnetfeldern ausgelöst schleudern sie innerhalb von Minuten energiereiche Strahlung und Stürme geladener Teilchen ins All. Das, was Meredith MacGregor von der amerikanischen University of Colorado und ihre Kollegen am 1. Mai 2019 auf dem nächstgelegenen Stern Proxima Centauri aufblitzen sahen, war aber hundertmal stärker als jeder bislang beobachtete Sonnenflare: „Innerhalb von wenigen Sekunden steigerte der Stern seine Ultraviolettstrahlung um das 14 000-Fache“, berichtet die Astronomin. Für den 2016 entdeckten Planeten Proxima b, der den Stern in weniger als zwölf Tagen umrundet, bedeutet das nichts Gutes: „Sollte es auf Proximas nächstem Planeten Leben geben, müsste es sich stark von dem auf der Erde unterscheiden“, meint MacGregor. „Ein Mensch hätte dort jedenfalls eine harte Zeit.“
Proxima Centauri ist mit einer Distanz von knapp 4,3 Lichtjahren oder 41 Billionen Kilometern der sonnennächste Stern. Am irdischen Himmel ist er dennoch nur mit Teleskopen zu sehen, denn der Stern ist ein sogenannter Roter Zwerg: Seine Leuchtkraft erreicht gerade einmal 0,002 Prozent des solaren Wertes. Seine sogenannte „habitable Zone“, also der Abstandsbereich, in dem die Strahlung des Sterns flüssiges Wasser auf einem erdähnlichen Planeten ermöglichen würde, liegt daher eng um den Stern. Der etwa erdgroße Planet Proxima b, der in dieser Zone kreist, ist seinem Stern viel näher als die Erde der Sonne: Sein Abstand zum Stern beträgt sieben Millionen Kilometer, während die Erde rund 150 Millionen Kilometer Distanz zur Sonne hält. Ein weiterer Planet, Proxima c, kreist in 1,5-fachem Erdabstand um Proxima und damit weit außerhalb der habitablen Zone.
Damit ist vor allem Proxima b den Flares von Proxima Centauri ausgesetzt. Und die sind nicht nur heftiger, sondern auch zahlreicher als die Ausbrüche auf der Sonne. Im Verlauf mehrerer Monate hatten MacGregor und ihre Kollegen neun Teleskope auf der Erde und im All insgesamt 40 Stunden lang auf den Stern im Sternbild Zentaur gerichtet. Dabei stach der Ausbruch vom 1. Mai zwar heraus, war aber nur einer unter vielen. Noch seien nicht alle Daten ausgewertet, doch neben dem Superflare fanden sich bereits rund 70 weitere, berichten die Forscher in ihrem im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ veröffentlichten Aufsatz (doi: 10.3847/2041-8213/abf14c). „Proxima Centauris Planeten werden nicht bloß einmal im Jahrhundert, sondern womöglich mehrmals täglich von Ausbrüchen dieser Art getroffen“, sagt MacGregor.
Auf der Erde können starke Sonnenflares Satelliten beschädigen, den Funkverkehr beeinträchtigen oder sogar Schäden in Stromversorgungsnetzen verursachen. Diese Auswirkungen sind aber harmlos gegen die Konsequenzen, die das ständige Strahlungsbombardement auf Proxima Centrauris Begleitern hat. Dort, so vermuten Astronomen, dürfte die Strahlung im Laufe der Zeit die gesamte Atmosphäre der Planeten zerstören und damit jedes höhere Leben auf der Oberfläche unmöglich machen. Ähnliches gilt wohl für die meisten Sterne dieses Typs, wenn nicht sogar für alle: Beobachtungen zeigen, dass Rote Zwerge weit aktiver sind als Sterne vom Typ der Sonne und heftige Strahlungsausbrüche bei ihnen an der Tagesordnung sind. Ausgerechnet bei Roten Zwergen haben Astronomen in den vergangenen Jahren aber auch viele erdähnliche Planeten entdeckt. Nicht, weil es dort mehr Planeten gäbe als bei anderen Sternen – sie lassen sich wegen ihrer engen Orbits und damit kurzen Umlaufzeiten nur schneller aufspüren. Ob diese Welten auch gute Orte für die Suche nach außerirdischem Leben sind, darf im Licht der neuen Beobachtungen aber bezweifelt werden.
Als Teil dieser Suche ist auch die Beobachtungskampagne von MacGregor und ihrem Team zu verstehen. Nie zuvor haben Astronomen die Aktivität eines Roten Zwergsterns so umfassend verfolgt wie in diesem Fall: Neben optischen Teleskopen wurde Proxima Centauri von Instrumenten beobachtet, die im Röntgen-, UV- oder Radiobereich des Spektrums empfindlich sind. So fanden die Forscher, dass der Stern je nach Spektralbereich höchst unterschiedlich blitzt. Der Flare vom Mai 2019 beispielsweise steigerte die Helligkeit Proximas im sichtbaren Licht um nur 0,9 Prozent. Bei Millimeter-Wellenlängen war es ein Faktor Tausend – ein Novum. Dass Sterne auch in diesem Radiobereich Flares produzieren können, war bis vor kurzem unbekannt. Mit dem Radioteleskopnetzwerk Alma im Norden Chiles haben die Wissenschaftler seit einigen Jahren ein Werkzeug zur Hand, mit dem sie künftig auch andere Zwergsterne auf Flares untersuchen können. Damit hoffen sie einerseits, mehr über die Entstehung dieser Ausbrüche zu lernen, die offenbar auf Roten Zwergen anders ablaufen als auf der Sonne. Und natürlich wollen sie erfahren, bei welchen Planeten sich eine intensivere Suche nach Leben lohnt – und bei welchen nicht.