Rüstungslieferungen :
Wie Nordkorea Russlands und Irans Kriege unterstützt

Gastbeitrag
Von
Elisabeth Suh
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Partnerschaft mit Moska und Teheran: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu Besuch bei einer Artilleriestellung in Nordkorea.

Das Regime in Pjöngjang ist nicht länger nur Bittsteller in Teheran und Moskau, sondern wichtiger Partner. Das zeigen aktuelle Rüstungslieferungen. Europas Möglichkeiten, das zu unterbinden, sind begrenzt, schreibt die Sicherheitsforscherin.

Spätestens seitdem Russland nordkoreanische Artillerie und ballistische Raketen gegen die Ukraine eingesetzt hat, ist offensichtlich, dass Pjöngjang weit über Nordostasien hinaus Konflikte schürt. Die Qualität, mit der Nordkorea Europas Sicherheit und Stabilität mittelbar bedroht, ist dabei jedoch neu: Mit seinen Munitionslieferungen für Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten unterstützt Pjöngjang aktiv Russlands und Irans sicherheitspolitische Ziele.

Nordkorea vergrößert damit seinen strategischen Wert für Moskau und Teheran. Dies ermöglicht es dem Land wiederum, seine überregionalen Netzwerke für Sanktionsbrüche und Schmuggel zu erweitern und abzusichern. Um Pjöngjangs Praktiken zu verstehen, Ansatzpunkte für Einwirkungsmöglichkeiten zu identifizieren und zu nutzen, braucht die EU mehr Informationen und internationale Zusammenarbeit.

Waffen und Munition für den Ukrainekrieg

In Sachen Artillerie spielt Pjöngjang die entscheidende Lieferantenrolle. Schätzungen zufolge könnte Nordkorea in den vergangenen zwei Jahren bis zu 13.000 Container mit sechs Millionen Artilleriegeschossen an Russland exportiert haben. Dies würde bedeuten, dass Russland zusammen mit seiner eigenen Jahresproduktion (knapp 3 Millionen) jährlich 5,5 Millionen Artilleriegeschosse gegen die Ukraine einsetzen kann. Dieses selbst gesetzte Ziel Moskaus entspricht der Feuerkraft, die das russische Militär nach westlichen Berechnungen im Jahr 2022 genutzt hat, um große Landstriche der Ukraine zu erobern und zu halten. Die Ukraine bräuchte für ihre Verteidigung jährlich circa eine Million Artilleriegeschosse – die USA und Europa produzieren zurzeit rund 1,2 Millionen pro Jahr.

Nordkorea nutzt wohl zunächst seine alten Bestände, um solche Volumen an Artilleriemunition zu exportieren. Nach eigenen Angaben läuft Pjöngjangs Rüstungsindustrie jedoch auf Hochtouren. In Südkorea wird geschätzt, dass Nordkoreas Produktionsstätten zwei Millionen Artilleriegeschosse pro Jahr herstellen können.

Nordkorea lieferte auch circa 50 seiner modernsten Kurzstreckenraketen mitsamt Abschussfahrzeugen. Mit diesen zusätzlichen Waffen füllt Russland seine Raketenbestände auf, um vermutlich die kritische Infrastruktur der Ukraine effektiver zu zerstören. Zuvor hatte Moskau hierfür vor allem Drohnen mit deutlich weniger Feuerkraft und luftgestützte Marschflugkörper, deren Herstellung teuer ist, genutzt. Mit der Masse an preisgünstigeren Raketen aus Iran und Nordkorea könnte Russland die teils sehr erfolgreiche Luftabwehr der Ukraine quantitativ überfordern.

Nordkoreas Munitionslieferungen an Russland verschaffen dem Verhältnis beider Länder eine neue Qualität. Denn zuvor war es Moskau, das Pjöngjangs Rüstungspolitik indirekt unterstützte – jetzt kann Nordkorea selbst entscheidende Waffen anbieten und Gegenleistungen verlangen. Vor diesem Hintergrund hat Nordkorea wohl erreicht, dass der neue Partnerschaftsvertrag mit Moskau wieder eine militärische Beistandsklausel enthält – für Pjöngjang ein Beweis einer Allianz mit Russland.

Der Partnerschaftsvertrag verspricht zudem Kooperation in den Bereichen Kerntechnik und Satelliten- und Weltraumraketentechnologie. So könnte Moskau Nordkorea bei dessen Ambitionen helfen, selbst mehr spaltbares Material für Nuklearwaffen zu produzieren, und gleichzeitig argumentieren, dass es nach wie vor nicht direkt Pjöngjangs Nuklearwaffen- und Raketenprogramme unterstützt.

Doch der wichtigste Win-win-Aspekt ihrer Partnerschaft ist wahrscheinlich die koordinierte Umgehung der Sanktionen, die gegen beide bestehen. Russland und Nordkorea benötigen externe Ressourcen wie Halbleiter für ihre Rüstungsindustrien. Beide würden daher davon profitieren, wenn sie ihre Geschäfte und Netzwerke gemeinsam ausbauen und absichern.

Partnerschaft zwischen Pjöngjang und Teheran

Russland ist jedoch nicht der einzige Kunde Pjöngjangs. Nordkorea und Iran verbindet eine langjährige rüstungspolitische Partnerschaft mit kooperativen Zügen. Was den Bereich Raketen betrifft, könnte Pjöngjang Teheran beim Bau von Langstreckenraketen helfen – beispielsweise durch die Weitergabe der Motoren, mit denen Nordkorea seine neuesten Interkontinentalraketen und Weltraumraketen erfolgreich betreibt. Iran hat aber selbst bereits Weltraumraketen und braucht nach eigenen Angaben Raketen mit Reichweiten bis 2.000 Kilometer. Daneben wird spekuliert, dass Pjöngjang Teheran Motoren für Mittelstreckenraketen geliefert hat.

Interessant ist, dass Teheran seit dem Iran-Irak-Krieg keine nordkoreanischen Raketen, sondern nur noch, wie jüngst gegen Israel, seine eigenen einsetzt. Es gibt indes vereinzelte Berichte, dass die Hamas, die Hisbollah und die Huthi-Milizen auch Raketen und Munition nordkoreanischen Ursprungs nutzen. Es wäre plausibel, dass Teheran hier vermittelt.

Auffällig ist, dass es bisher keine stichhaltigen Berichte über einen Austausch zwischen Pjöngjang und Teheran im Bereich Nukleartechnik gibt. Sollte Iran ein Nuklearwaffenprogramm aufbauen wollen, könnten Pjöngjangs Fähigkeiten von Nutzen sein. Umgekehrt wäre für Pjöngjang iranische Hilfe in den Bereichen Drohnentechnik und Energieversorgung relevant. Anhaltspunkte für einen solchen Support gibt es jedoch nicht.

Handlungsoptionen für Europa

Europa kann kaum verhindern, dass Nordkorea mit Russland und Iran kooperiert. Brüssel könnte aber Anreize für Drittstaaten, Banken und Unternehmen schaffen, die – wissentlich oder nicht – in Nordkoreas Geldwäsche, Waffengeschäfte und rüstungsindustrielle Beschaffungsaktivitäten verstrickt sind. Öffentliche Berichte hierüber können den Handlungsdruck erhöhen, doch müssten europäische Staaten und Partner hierfür eine neue, allseits zugängliche und systematische Informationsgrundlage schaffen, denn die Berichterstattung der Vereinten Nationen (VN) über Nordkoreas Sanktionsbrüche ist seit Mai 2024 und Russlands Veto im VN-Sicherheitsrat nicht mehr möglich.

Zudem kann die EU ihre Dialoge, zum Beispiel die mit Staaten im Indopazifik über Nonproliferation, in diesem Sinne nutzen. Ein direkterer Hebel wären der Ausbau von Aufklärung und das Aufhalten verdächtiger Schiffe in internationalen Gewässern. Doch bedürften solche proaktiven Maßnahmen größerer Anreize, um Nordkoreas Handel mit Waffen zu unterbrechen.

Elisabeth Suh
Elisabeth Suh war bis Ende September 2024 Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der SWP. Das Aktuell entstand im Rahmen des Projekts STAND (Strategic Threat Analysis and Nuclear (Dis-)Order). Der Artikel ist zuerst erschienen in: Elisabeth Suh: Nordkoreas Rüstungspolitik als indirekte Sicherheitsbedrohung für Europa. Wie Pjöngjang seine Partnerschaften mit Moskau und Teheran ausbaut. SWP-Aktuell 2024/A 53
Bild: SWP
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