Manfred Clauss gestorben : Epigraphiker mit Weitblick
Das vielleicht bleibendste Vermächtnis des Althistorikers Manfred Clauss ist nur einen Klick entfernt. Über www.manfredclauss.de gelangt man zur „Epigraphik-Datenbank Clauss-Slaby“ (EDCS). Grafisch mag man der Website ihre Alter ansehen, tatsächlich aber handelt es sich um die weltweit führende Datenbank lateinischer Inschriften aus der Antike. Jeder, der sich schon einmal mit dem Altertum befasst hat, kennt den Wert solcher Inschriften, die mancherorts die einzigen erhalten Schriftzeugnisse darstellen und andernorts die Elitenperspektive der literarischen Quellen ergänzen.
Manfred Clauss hat die Datenbank mit technischer Unterstützung des Informatikers Wolfgang Slaby in den Achtzigerjahren aufgebaut und bis zum Ende begleitet. Mit unermüdlichem Fleiß soll er in seiner aktivsten Zeit mehrere Stunden täglich mit dem Einarbeiten neuer Inschriften verbracht haben. Wer sich ihn deswegen aber als einen womöglich etwas drögen Epigraphiker vorstellt, der ganz in den sogenannten Hilfswissenschaften aufging, geht fehl.
Promotion in Geschichte und Theologie
Vielmehr belegt schon die zweifache Promotion in Alter Geschichte und Katholischer Theologie die breiten Interessen des Gelehrten. 1945 geboren, hatte er nach Stationen in Siegen, Eichstätt und an der FU Berlin von 1993 bis 2005 den Lehrstuhl für Alte Geschichte der Frankfurter Goethe-Universität inne.
Bald begann er, für ein breites Publikum zu schreiben. Schon geographisch decken seine beinahe zwanzig Bücher einen beeindruckenden Raum ab: von Sparta über Israel und das Alte Ägypten bis hin zu seinem eigentlichen Schwerpunkt, Rom. Besonders gern verfasste er Biographien: Seinen Beck-Wissen-Band zu „Konstantin dem Großen“ von 1996 möchte man noch heute jedem Einsteiger empfehlen.
In sein Fach hinein hat Clauss neben der epigraphischen Datenbank vor allem mit Forschungen gewirkt, die sein althistorisches und sein religionswissenschaftliches Interesse verbanden: mit einem Standardwerk zum Mithras-Kult (erstmals 1990) und einer Monographie zum Herrscherkult im Römischen Reich (1999). Dessen erster Satz zeigt, dass Clauss auch vor provokanten Thesen nicht zurückschreckte: „Der römische Kaiser war Gottheit.“ Seiner Meinung nach hatte die bisherige Forschung die allgemein akzeptierte Göttlichkeit des Kaisers verkannt, weil sie sich von einem christlichen Gottesbild oder den Schriften kaiserkritischer Senatoren leiten ließ.
Am 20. Januar ist Manfred Clauss im Alter von 79 Jahren verstorben. Seinen Freunden und Kollegen bleibt er nicht nur durch seine wissenschaftliche Leistungen in Erinnerung, sondern auch durch seine ausgesprochene Großzügigkeit im Beruflichen wie im Privaten. Es wird ihnen nur ein schwacher Trost sein, dass seine Datenbank unter der Ägide der Althistorikerin Anne Kolb fortleben wird.