Ja, es tut noch weh
Als "Komplizen der Vergänglichkeit" hat sich der "Silbenschmied" Dürs Grünbein einmal bezeichnet. Dazu paßt, daß er sich noch immer emphatisch als Dresdner versteht, obwohl er schon seit 1985 in Berlin lebt. In "Porzellan" erscheint "die ruinierte Stadt" als Chiffre eines poetischen Ingeniums, das nicht vergessen kann und will, was doch unwiederbringlich verloren und nie wiedergutzumachen ist. Diese Bindung ans Vergangene zeigt sich in Form und Gehalt des Erinnerns zugleich. In der Tradition der "Tableaux Parisiens" Charles Baudelaires versammelt der Band neunundvierzig Dresdner Bilder in je zehn unregelmäßig gereimten trochäischen Sechshebern, in denen sich Altes und Neues traumhaft überlagern. "Diese heiklen Formen. Worum geht es hier? - Einer lauscht, / Was die Töchter Mnemosynes ihm diktieren. / Und er tauscht die Zeiten, Räume, Maße, tauscht und tauscht." Für "Nimmerwiederkehr" aber weiß der Dichter nur ein anderes Wort: "heute".