Schauspielhaus in Bochum :
Der Gescheiterte übernimmt

Simon Strauß
Ein Kommentar von Simon Strauß
Lesezeit: 2 Min.
Auf allen Bühnen: Nicolas Stemann
In Zürich lieferte Nicolas Stemann moralpolitisches Mittelmaß, nun wird er Leiter des Bochumer Schauspielhauses. Das verheißt nichts Gutes für die Theatergemeinde der Stadt.

Es gab eine Zeit, lang ist sie noch gar nicht her, da konnte man aus bestem Wissen und Gewissen empfehlen: „Wenn man nur einen Abend hätte, um in diesem Jahr ins Theater zu gehen, dann müsste man nach Bochum fahren.“ Dass diese Zeit langsam vorbeigeht, war in den letzten Monaten schon zu spüren. Jetzt hat sie ein definitives Enddatum bekommen. 2027 darf der in Zürich als Intendant krachend gescheiterte Nicolas Stemann die Leitung des Bochumer Schauspielhauses übernehmen. Das ist für die Stadt und ihre verbliebene Theatergemeinde eine Hiobsbotschaft.

Unter Johan Simons, dem noch amtierenden Chef, war das Haus zu einer beweglichen Bastion erzählerischen Theaters avanciert, an das man vom Schauspiel enttäuschte Fremdgänger verweisen konnte. Gerade weil hier ein lustvoll widersprüchlicher Spielplan verfolgt wurde und ein Ensemble spielte, das aus ganz unterschiedlichen Typen, Stimmen und Haltungen bestand, war nahezu jeder Besuch in Bochum ein Ereignis. Und zwar nicht nur für Eingeweihte und Blasenblubberer, sondern auch für die durchschnittlich kunstinteressierte Mittelschicht. Zugegeben: Simons und Stemann teilen als Intendanten das Schicksal, für deutlich rückläufige Zuschauerzahlen verantwortlich zu sein. Unter beiden nahm das Interesse der breiten Stadtgesellschaft an ihren Theatern ab.

Entscheidung nach Gutsherrenart

Wenn man einmal nicht zur ersten oder zweiten, sondern zur vierten oder fünften Aufführung einer Inszenierung nach Bochum reiste, dann war das berühmte Schauspielhaus mitunter nicht einmal zur Hälfte besetzt. Das war überraschend, denn anders als in Zürich, wo das moralpolitische Mittelmaß das spielerische Geschehen dominierte, war in Bochum die nervige Rede vom „Experiment“ meist ästhetisch oder zumindest schauspielerisch gemeint. Außer wenn Stemann hier selbst inszenierte. Dass der im Schicksalsjahr 1968 in Hamburg geborene und vor seiner Züricher Intendanz als Hausregisseur in Wien und München tätige Stemann jetzt eines der bedeutendsten Theaterhäuser Deutschlands unter seine Obhut bekommt, muss ihm wie eine Genugtuung erscheinen. Hier wird er, wie er sogleich triumphierend mitteilen ließ, „die Setzungen, die wir in Zürich gemacht haben, weiterentwickeln“.

Es gehört zum geschickten Werbeauftritt dieses für die derzeitige Theaterepoche so paradigmatischen Theatermanns, dass er der Kulturpolitik erfolgreich suggeriert, mit seinem Namen kaufe man Fortschritt und Avantgarde ein. Das kann man fast nicht Stemann selbst zum Vorwurf machen, der mindestens eine halbe Generation von jungen Theatermachern mit seinem cool gemeinten Zynismus geprägt hat, sondern muss es einer Kulturpolitik vorhalten, die sich auf stromlinienförmig besetzte Auswahlgremien verlässt oder – wie offenbar in diesem Fall – nach Gutsherrenart selbst entscheidet. Wie man nämlich hört, hat der Bochumer Kulturdezernent Dietmar Dieckmann seinen Kandidaten aus einer Dreierrunde ausgewählt, zu der neben Stemann noch Jette Steckel und Olaf Kröck gehörten. Damit brechen für Bochum neue Zeiten an. Züricher Zeiten.

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