Sommertheater in Frankreich :
Avignon ist nicht entvölkert

Von Mark Zitzmann
Lesezeit: 2 Min.
Tiago Rodrigues, der Leiter des Festivals von Avignon, rief zum Widerstand gegen den Rassemblement National auf.
Im „Figaro“ hatte eine französische Senatorin über einen drastischen Besucherrückgang beim Theaterfestival in Avignon geklagt. Doch das Festival lebt - und rüstet sich für die Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten.
Merken
Zur App

Das Festival d’Avignon hat Zwischenbilanz gezogen und erste Perspektiven fürs nächste Jahr vorgestellt. Tiago Rodrigues, der Intendant der Theaterfestspiele, die noch bis zum 21. Juli laufen, kündigte für 2025 das Arabische als Gastsprache an. Nach dem Englischen 2023 und dem Spanischen in diesem Jahr ist so eine weitere Weltsprache langue invitée des größten Theaterfestivals der Welt: Das bedeutet, dass zahlreiche Produktionen im betreffenden Idiom mit französischen Übertiteln gespielt werden.

Auch wenn diese Entscheidung schon vor der Auflösung von Frankreichs Nationalversammlung mitsamt nachfolgenden Wahlen getroffen worden war, entbehrt sie vor dem Hintergrund des Anstiegs der Abgeordnetenzahl des Rassemblement national nicht der Pikanterie: Die rechtsextreme Bewegung ist notorisch fremdenfeindlich und hetzt mit Vorliebe gegen Muslime. Der Präsident des Pariser Institut du monde arabe, Jack Lang, strich die Bedeutung des Arabischen als Kultursprache heraus. Ohne die Vermittlung dieses Idioms, so der frühere Kulturminister, „wären uns große Teile der griechischen Philosophie sowie das Wissen über Medizin und Mathematik, das arabische Gelehrte vor allem aus dem Griechischen übersetzt haben, unbekannt geblieben“.

Anfang letzter Woche hatte eine Senatorin in der Tageszeitung „Le Figaro“ einen Besucherschwund in der ersten Festivalwoche beklagt, der je nach Truppe beziehungsweise Theater bis zu minus 50 Prozent betrage. „Die Auswirkungen der Olympischen und Paralympischen Spiele auf das Festival wurden schlecht antizipiert und die Auflösung der Nationalversammlung sowie der nachfolgende Wahlkampf führte am Ende dazu, dass die Besucherzahlen in der ersten Woche des Off-Festivals geopfert wurden, in einer Zeit, in der die Kompanien bereits seit etlichen Jahren wirtschaftlich geschwächt sind“, sagte die Sozialistin Karine Daniel.

Keine “Entvölkerung“ zu sehen

Tatsächlich war das In-Festival wegen der am 26. Juli beginnenden Olympischen Spiele um eine Woche vorverschoben worden, das Off-Festival begann vier Tage später. Doch die Informationen, die die F.A.Z. gesammelt hat, scheinen den trüben Befund stark zu relativieren. Das Rathaus von Avignon spricht von einer „exzellenten Auslastung für Theater, Läden, Hotels, Fremdenzimmer und Restaurants“. Das Fremdenverkehrsamt konzediert für die Zeit zwischen 1. und 10. Juli einen Besucherrückgang um 12 Prozent, aber nur an seinem spezifischen Festivalschalter – an den allgemeinen Kontoren habe genau derselbe Trubel geherrscht wie im Vorjahr: Im Schnitt drängten sich dort 3760 Informationssuchende pro Tag.

Das Festival d’Avignon verzeichnete seinerseits eine Auslastung von 92 Prozent für die erste Spielwoche und von 97 Prozent für die zweite. Das Off-Festival hat auf Anfragen nicht geantwortet; dort scheint der Besucherrückgang Anfang Juli substanziell gewesen zu sein. Eine „Entvölkerung“ der Festspiele zu beklagen, wie die Senatorin es tat, wirkt in jedem Fall überzogen.

  翻译: